Historical Weihnachtsband 1992
einem Schlag verflog der heitere Überschwang, und lähmende Stille trat ein.
Blair rann ein kalter Schauder über den Rücken, und sie ertappte sich dabei, wie sie in allen Gesichtern nach einem Zeichen forschte, was die Leute dachten. Wenn Mrs.
Brown die Wahrheit kannte, wußten ganz bestimmt
alle, wer der Wohltäter war. Würde einer aus dem Kreise der Nachbarn ihn verraten? Die Belohnung, von der Lord Haverbrook gesprochen hatte, war eine echte Versuchung.
Ian Ferguson trat vor, und Blair tastete suchend nach Camerons Arm, um Halt zu finden.
„Sehen Sie, Mylord, ich fürchte, wir können nicht dienen. Wissen Sie, den eigentlichen Dieb haben wir schon Vorjahren gefaßt und alle anderen Schurken sind nicht von Bedeutung", verkündete er unter dem Beifall der Dorfbewohner.
„Harry, du wirst doch wenigstens zu einem Glas Punsch bleiben?" schlug Cameron mit einer Seelenruhe vor, die Blair nur bewundern konnte. „Ich habe soeben bekanntgegeben, daß Miss Duncan zugestimmt hat, meine Frau zu werden."
„So hat deine Ausdauer sich schließlich doch gelohnt", sagte Lord Haverbrook. „Ich habe dir immer erklärt, du könntest Miss Duncan gewinnen, wenn du hartnäckig genug bist!"
Plötzlich fiel es Blair wie Schuppen von den Augen. Die Worte, die sie neulich bei Haverbrooks Gesellschaft gehört hatte, bekamen unversehens einen Sinn. Keine andere als sie selbst war es, von der Lord Haverbrook behauptet hatte, sie sei so gut wie Camerons Braut.
Sobald es sich unauffällig machen ließ, schlug sie den Leuten vor, zum nächsten Haus zu ziehen.
Cameron stand auf der Schwelle der offenen Tür und hatte plötzlich wieder jenen bekümmerten Ausdruck in den Augen, den Blair schon einmal bemerkt hatte. „Soll ich auch gehen?" fragte er leise.
„Nein, Cameron! Du gehörst hierher und zu mir", antwortete sie, ergriff seine Hand und führte ihn die Treppe hinauf. Konnte es einen verheißungsvolleren Anfang des neuen Jahres geben als in den Armen des geliebten Menschen? Sie hätte sich jedenfalls keinen besseren denken können.
Und Cameron auch nicht, seinem Verhalten wenig später nach zu schließen.
- ENDE -
BRONWYN WILLIAMS
LEISE RIESELT DER SCHNEE...
Für Sara besteht kein Zweifel: Der attraktive Offizier, der sein Gedächtnis verloren hat, ist ihr totgeglaubter Mann Robert. Doch dann liegt Sara das erste Mal wieder in seinen Armen...
1. KAPITEL
Dezember 1863
Five Mills, Carnden County, North Carolina
Sara hätte nur ein wenig warten müssen, dann wäre Becky, ihre fünfjährige Tochter, eingeschlafen, und sie könnte sich leise davonstehlen. Doch sie wagte nicht, noch mehr Zeit zu verlieren. Auf dem Fluß wimmelte es von Patrouillenbooten, und die Verhältnisse auf der Straße waren unsicher.
Gleich nach dem Mittagessen war Annie Walston gekommen, ihre nächste Nachbarin, und hatte gar nicht wieder gehen wollen.
Wenn ihre Freundin wenigstens eine ermutigende Nachricht für sie gehabt hätte.
Doch Annie lamentierte nur in einem fort über General Wilds Leute, die jeden Truthahn, alle Hühner und Gänse stahlen, die die Räucherkammern ausraubten und der alten Miss Gilbert sogar einen Waschzuber voll frisch gekochter Seife entführt hatten.
„Falls das so weitergeht", jammerte Annie, „werden wir noch froh sein, wenn wir zu Weihnachten wenigstens Maisbrot und getrocknete Bohnen haben."
Das Weihnachtsessen war Saras geringste Sorge. Sie fürchtete vielmehr um ihren Bruder Jimmy, der sich am Rand der Sümpfe versteckt hielt und ständig in Gefahr schwebte, entweder von den Patrouillen auf dem Fluß oder von den Blauröcken auf der Shiloh Road entdeckt zu werden.
„Ich nehme an, daß du noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder zu Hause sein willst", versuchte Sara, ihre Freundin zum Gehen zu bewegen, doch Annie hatte nur genickt und zu einer neuen Geschichte mit dem ewig gleichen Thema angesetzt.
Der Krieg. Dieser verflixte, endlose Krieg, der schon die besten Männer gefordert hatte und immer noch weiter seine Opfer fand.
Jimmy war jetzt siebzehn. Trotz Saras Protest schloß er sich im Winter 1861 der Home Guard an, kurz nachdem Sara erfahren hatte, daß Robert, ihr Mann, beim Fall von Fort Hatteras umgekommen war. Becky war damals noch ein Baby gewesen und Jimmy nicht viel mehr als ein Kind. Da die Truppen der Konföderation nordwärts gezogen waren, um Virginia zu verteidigen, sah er sich als neues Familienoberhaupt verpflichtet, auf diese Weise Frauen und Kinder beschützen zu müssen.
Sara hätte
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