Historical Weihnachtsband 1992
wirklich gehen?"
„Sara, sie haben letzte Woche zwei Partisanenfamilien festgesetzt und halten sie als Geiseln. Zwei Frauen und fünf Kinder."
Sie nickte. Natürlich mußte er zurückgehen. Dennoch hatte sie Angst, wenn sie daran dachte, was mit den Männern geschehen war, die versucht hatten, Gefangene aus den schwer bewachten Militärgefängnissen zu befreien. „Ja, ich weiß. Es muß sein", seufzte sie.
Jimmy tätschelte ihr mit seiner freien Hand unbeholfen die Wange. „Ich treffe mich bei Monduntergang mit dem Rest unserer Gruppe. Sobald wir ein neues Lager aufgeschlagen haben, hörst du von mir."
Er umarmte sie schüchtern. Sara nahm den Geruch von Rauch, Schweiß und dumpfer Feuchtigkeit an ihm wahr. Er tat ihr leid. Das Leben im Sumpf war so ungesund. Sie stählte sich innerlich, um keine Schwäche vor ihm zu zeigen.
„Sei vorsichtig, Sara. Hörst du? Wahrscheinlich bist du auf der Farm sicher genug, solange sie nichts von mir wissen. Und wenn du fliehen mußt, mach dir keine Sorgen. Ich werde dich schon finden, egal wie."
„Ich wüßte gar nicht, wohin wir gehen sollten. Außerdem haben wir schon den Weihnachtsbaum aufgestellt. Und du kennst doch Becky", versuchte sie scherzhaft einzuwenden. „Sie würde keinen Schritt mehr von der Farm weggehen, bis Sandy Claus nicht gekommen ist."
Jimmy nickte nur betrübt, und seine Stimme klang rauh. „Ich weiß. Umarme sie für mich, und wünsch ihr alles Gute zu Weihnachten. Wahrscheinlich werden sie euch ja in Ruhe lassen. Aber ich dachte, es wäre besser, dich zu warnen, lieber eine Zeitlang nicht auf das Signal zu achten. Ach, ich hätte dir so gern wenigstens etwas Proviant mitgebracht. .."
„Wir haben immer noch ein paar Hühner, und Annie hat den Hahn. Es reicht schon, wenn ich zwei der Hennen bis zum Frühjahr durchbringe, damit sie brüten können."
„Halte die Tiere jedenfalls so nah wie möglich am Haus, hörst du. Es heißt, daß Wild und Draper heute morgen ihre Leute aufgeteilt haben. Wilds Haufen bewegt sich in Richtung Currituck Court House. Sie brennen alles nieder, was ihnen unter die Augen kommt. Hoffen wir, daß sie nicht zurückkommen."
„Ja, so Gott will", seufzte Sara ergeben.
Jimmy schüttelte den Kopf. „Wiege dich nicht zu früh in Sicherheit. Von Drapers Männern hängen immer noch einige in der Gegend herum. Deshalb gehst du besser nicht zu weit vom Haus weg und hältst Türen und Fenster geschlossen. Du kannst doch mit Papas altem Gewehr umgehen, oder?"
Sara nickte. Sie hatte schon damit auf Schlangen geschossen und einmal sogar einen Habicht erlegt, der es auf ihre Hühner abgesehen hatte. Aber auf einen Menschen würde sie nicht schiessen, nicht einmal auf einen Yankee. Das wußte Jimmy so gut wie sie. Es sei denn, Becky wäre in Gefahr. Dann wäre sie zu allem fähig. Möge Gott verhüten, daß es jemals so weit kam.
2. KAPITEL
Es war kurz vor Einbruch der Dämmerung, als Lieutenant Mallory und ein Trupp von sieben Mann sich von der Hauptabteilung trennten und sich auf der Shiloh Road in Richtung Süden in Bewegung setzten. Sie hatten schon vier Farmen durchsucht, ohne etwas Verdächtiges zu finden. Die Order lautete, jedes Haus niederzubrennen, bei dem es nur den kleinsten Hinweis auf ein Versteck der verfluchten Freischärler gab.
Der Lieutenant war müde und entmutigt. Er fühlte sich angewidert von all dem, was er in den vergangenen Tagen gesehen hatte. General Wild trug seinen Namen zu Recht. Seine sogenannte Armee der Befreiung war nicht viel mehr als ein rücksichtsloser, undisziplinierter Haufen. Es mangelte den Männern nicht nur an der Ausbildung, sondern vor allem an der richtigen Führung. Das Ausmaß an Plünderung und Zerstörung durch diese Meute übertraf bei weitem das, was ein normal empfindender Mensch ertragen konnte, selbst wenn es hieß, daß der Zweck die Mittel heiligte.
Manchmal fragte er sich allen Ernstes, ob die Gründe für diesen Krieg tatsächlich so ehrenhaft waren. Wenn die abtrünnigen Südstaaten unbedingt ihre Selbstverwaltung wollten, warum ließ man sie dann nicht einfach?
Unpatriotische Gedanken für einen Soldaten der Union, sagte Ralph zu sich selbst.
Bis jetzt hatte er Glück gehabt, jedenfalls soweit er wußte. Seit er im Süden war, hatte er zwar schon eine ganze Reihe Gefangener gemacht, aber zum Glück war ihm bisher nicht der Verdacht gekommen, es könnte sich dabei um einen Verwandten, womöglich um seinen eigenen Vater handeln. Ob er es überhaupt
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