Historical Weihnachtsband 1992
kleiner aber drahtiger junger Mann, der sich im Sumpf auskannte wie eine Bisamratte, trat aus dem dunklen Schatten der Eiche heraus.
In einem Anflug von Zärtlichkeit streckte Sara die Hand aus und strich eine dunkelblonde gelockte Haarsträhne hinter sein Ohr zurück. Sie lächelte, als er der Berührung auswich. Er war immer noch ihr kleiner Bruder, selbst wenn er eine von den Yankees erbeutete Springfield mit sich herumschleppte, die fast so groß war wie er selbst. „Gibt es Neuigkeiten? Hast du das Signal gesetzt?"
„Vor zwei Tagen haben wir ein Lagerhaus der Yankees geplündert. Jede Menge Munition und Waffen. Ich dachte, ich könnte dir vielleicht einen Schinken besorgen, doch in der Zwischenzeit ist zu viel passiert."
„Mit dir ist aber alles in Ordnung?" fragte sie ängstlich besorgt.
„Natürlich, Sara. Mir wird nur der Boden hier langsam zu heiß. Gab es heute viel Verkehr auf der Straße?"
„Nicht so viel wie sonst. Aber auf dem Fluß war einiges los. Sieben Boote in einer Stunde, als ich heute morgen die Wäsche aufgehängt habe."
Er runzelte die Stirn und nickte. „Sie bringen Nachschub für das, was wir ihnen abgenommen haben. Seit die Fifth Pennsylvania Division die Brücke in Indianatown in die Luft gejagt hat, glauben Wild und Lewis, daß sich zwischen Old Trap und Shiloh an die dreihundert Partisanen versteckt halten. Dem alten Feuerteufel raucht das Maul vor Wut."
Sara kannte General Wilds Spitznamen und hielt ihn für wohlverdient.
„Dreihundert? Woher hat er das?"
„Hat sich wohl einmal zu oft die Federn versengen lassen. Er wagt es nicht, dem Hauptquartier zu melden, daß er von einer Handvoll nur mit Trommelgewehren bewaffneter Sumpfratten aufgerieben worden ist. Dabei hätte er genug Feuerkraft gehabt, um den ganzen Landstrich auszurotten. Weißt du übrigens schon von der Haubitze, die wir ihm abgenommen haben?"
Sara nickte und blickte skeptisch. „Ich frage mich nur, wie ihr sie durch den Sumpf transportieren wollt, wenn sie so groß ist.
Jimmy grinste. „Ich würd' was drum geben, wenn ich das Gesicht vom alten Wild gesehen hätte, als er davon erfuhr." Er wurde wieder ernst. „Sara, warum ich komme. Du und Becky, ihr solltet euch eine Zeitlang ganz ruhig verhalten. Es geht das Gerücht, daß Wild eine Befreiungsarmee, oder wie er das nennt, aufstellen will.
Sie bewaffnen ehemalige Sklaven aus dem Norden und schicken sie hierher mit dem Befehl, uns rücksichtslos niederzumachen. Sie wollen die Home Guard zerschlagen und das Ende der Blockade erzwingen. Es heißt auch, daß Wild seine Truppen mit Drapers zweiter Armee vereinigt hat. Sie wollen zwischen Shiloh und Indianatown alles niederbrennen."
Sara stieß einen leisen Schrei der Verzweiflung aus. „Warum nur? Es sind doch nur noch Frauen und Kinder übrig, und die wenigen Männer hier sind entweder zu alt oder zu krank, um Widerstand zu leisten. Was nützt es ihnen, unsere Häuser anzuzünden?"
„Sie gehen davon aus, daß ihr uns versorgt."
„Aber es ist doch genau andersherum. Der Fluß ist abgeriegelt, und diese Teufel stehlen alles, was ihnen unter die Finger kommt. Wir würden verhungern, wenn ihr uns nicht das Nötigste beschafft."
„Na ja, sie wissen allerdings auch, woher wir das Zeug bekommen. Wie dem auch sei, das ist noch nicht alles. Letzte Nacht ist ein Spähtrupp der First Pennsylvania einem unserer Leute bis ins Lager gefolgt. Bevor wir wußten, was los war, hatten sie uns umstellt." Jimmy schluckte heftig. „Sara, sie haben alles zerstört, die Hütte, die Zelte, das Waffenversteck. Außer denen, die sofort tot waren, haben sie neun Gefangene gemacht. Sie verbreiten jetzt, sie hätten das ganze Rattennest ausgeräuchert. Doch das stimmt nicht, und sie wissen es."
Sara spürte, wie eine innere Kälte in ihr hochstieg. „Wer?" fragte sie tonlos, in einer Mischung aus Erleichterung und Schuldgefühlen. Jimmy lebte immerhin, doch die anderen waren tot.
Er nannte die Namen von sieben jungen Männern und einem älteren Mann. Dabei klang seine Stimme verdächtig rauh. Zwei der Opfer waren Brüder gewesen, mit denen er schon als Kind gespielt hatte. Sie kamen von der Farm gegenüber dem alten Bell-Gehöft, das jetzt auch zerstört war. „Wir versuchen herauszufinden, wohin sie die Gefangenen gebracht haben. Deshalb denk dir nichts dabei, wenn du einige Zeit keine Nachricht von mir bekommst."
Acht tot und neun gefangen. Wie viele waren noch übrig, um zu kämpfen? „Oh, Jimmy, mußt du
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