Historical Weihnachtsband 1992
können? Und doch, seine Freundlichkeit und seine beschützende Art erschienen ihr so gar nicht vertraut. Außerdem war er plötzlich solch ein wunderbarer Liebhaber. Sie zitterte bei dem Gedanken, daß sie ihn vielleicht schon bald wieder gehen lassen mußte.
Aber was blieb ihr übrig? Sie konnte ihn nicht wirksam beschützen. Sara preßte ihr Gesicht an seine Brust, auf das blaue Baumwollhemd. Sie hatte sich nicht davon trennen können, auch wenn es Jimmy gut gepaßt hätte. Es war Roberts Lieblingshemd. „Robbie, ich habe Neuigkeiten", sagte sie und löste sich abrupt von ihm. Es war besser, seinen Körper nicht zu lange zu spüren. Sonst bat sie Robert am Schluß noch am hellichten Tag, mit ihr zu schlafen.
„Ich habe mir schon so etwas gedacht. Deshalb wolltest du unbedingt zur Kirche gehen."
„Nein, ich bin gegangen, weil Weihnachten ist", entrüstete sie sich.
„Es ist aber auch Krieg", erinnerte er sie sanft.
Sie ließ sich wieder in die Arme nehmen und seufzte. „Wie sollte ich das vergessen?"
Er fragte nicht viel, sondern ließ sie erzählen. Sara sprach von einer alten Frau, die verhaftet und anschließend wieder freigelassen worden war. Dann sagte sie etwas von einem Mastschwein, das beschlagnahmt wurde, und berichtete von den vielen Versorgungsschiffen auf dem Fluß. Doch das alles war sicher nicht die wirkliche Ursache für ihre Besorgnis.
„Ich habe Jimmy getroffen", sagte sie schließlich.
Jetzt kam sie also endlich zur Sache. „Hast du ihn wegen meiner Einheit gefragt?"
„Er sagt, deine Leute sind jetzt in Virginia. Und die Yankees haben die Grenze unter Kontrolle. Für dich wäre es am besten, wenn du dich hier versteckt hieltest, bis Jimmy jemanden findet, der dich durch die Linien bringt. Aber Robbie, das ist noch nicht alles."
Er wartete mit unbewegter Miene. Warum konnte er mit ihren Informationen nur nicht soviel anfangen, wie er sollte? Ob das auch mit seiner Kopfverletzung zu tun hatte?
„Was noch, Sara? Komm schon, so schlimm kann es doch gar nicht sein."
„Es sind eine gute und eine schlechte Nachricht. Zuerst die schlechte. Die Yankees sollen eine Liste aller Freischärler besitzen. Niemand weiß, ob sie vollständig ist und ob die Information stimmt. Auf jeden Fall habe ich es so gehört."
Er nahm sie noch fester in die Arme. „Dein Bruder . . ."
„ . . . und du, Robert", rief sie und entzog sich ihm wieder. Sie sah ihn mit Tränen in den Augen an. „Wenn sie hierherkommen und nach Jimmy suchen, werden sie dich finden."
„Dann muß ich wohl gehen. Aber Sara, ich kann dich und Becky auch nicht einfach hier im Stich lassen. Nicht auszudenken . .."
„Wenn die Sache mit der Liste stimmt, hast du keine Wahl. Jimmy versucht, noch mehr zu erfahren. Er gibt uns Bescheid, sobald er mehr weiß." Sie lächelte angestrengt.
In diesem Augenblick hätte er sie am liebsten tausend Meilen von hier weggebracht, dorthin, wo es keinen Krieg gab, keine Yankees und keine Rebellen, und sie für immer in seinen Armen geborgen gehalten.
„Es gibt aber auch eine gute Nachricht. Ich habe sie bis jetzt aufgehoben", murmelte sie und seufzte.
Sie nahm sein Gesicht in beide Hände und preßte es gegen ihr Haar. Wie habe ich nur jemals einen so lieben Menschen vergessen können, fragte er sich.
„Jimmy und seine Leute haben letzte Nacht kaum eine Meile von hier ein Yankee-Lager überfallen. Es waren sieben Blauröcke, sagt er. Ich bin sicher, daß es die sieben sind, die dich hierhergebracht haben."
Sie hielt inne. Anscheinend erwartete sie, er könnte etwas zu der Geschichte beitragen. Doch Robert rätselte genauso darüber, wie es gekommen war, daß ausgerechnet ein Trupp Yankees ihn nach Hause begleitet und ihm sogar erlaubt hatte dortzubleiben. Dazu kam noch die Sache mit dem Tisch. Er ahnte zwar langsam, wie Becky zu ihrem Geschenk gekommen war, doch seine Rolle dabei erschien ihm weiterhin schleierhaft. „Und weiter?" bohrte er.
„Weiter? Na ja, Jimmy sagt, die Yankees hätten nur einen Mann als Wache gehabt.
Der Rest schlief. Sie haben vier gleich im Schlaf erwischt und gefangengenommen.
Dann ging die Schießerei los. Einer von Jimmys Leuten und zwei von den Yankees sind tot. Der letzte von den Blauröcken ist entkommen. Jimmy meint, er verirrt sich wahrscheinlich im Sumpf, so daß sie ihn auch noch einfangen können. Wenn er es allerdings bis zu einem der Buffaloe-Häuser schafft. . . Das schlimmste daran ist, daß der Mann dich kennt und weiß, wo du bist."
Er
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