Historical Weihnachtsband 1992
eine hinten. Und dann überwältigen wir sie. Die glauben dann bestimmt, sie hätten es mit einer ganzen Kompanie zu tun."
Burden hatte den jungen Corporal nur verächtlich angesehen. „Du hast das Kämpfen hinter dem Tresen gelernt, in deinem noblen Laden, mein Junge. Diese Sumpfratten dagegen durften schon mit Papas Jagdgewehr schießen, als sie noch Windeln trugen. Wenn ich du wäre, würd ich erst mal nachdenken, bevor ich das Haus stürmte."
Cecil mochte der Corporal sein, aber in Mallorys Abwesenheit war Burden der unbestrittene Führer der Gruppe. Der alte Graubart kam als einziger aus North Carolina. Er hatte in den Bergen im Westen des Staates gelebt, bevor er sich zu den Waffen meldete. Sein Alter, seine Erfahrung und seine harte Linke waren Argumente genug, um ihm den Respekt zu sichern.
„Ich sage euch, was wir tun, Jungs. Wir warten hier bis morgen. Dann schlagen wir zu, wenn sie am wenigsten damit rechnen."
„Verflucht Burden, morgen ist Weihnachten", wandte einer der Männer ein. Er war verheiratet und hatte vier Kinder. „Denk doch nur an das kleine Mädchen."
Die Miene des alten Mannes verhärtete sich. Seine eigene Familie, eine kleine Enkelin im Alter von vier Jahren inbegriffen, war von einer Meute betrunkener Rebellen niedergeschossen worden, als diese einen unbedeutetenden Sieg feierte.
Nachdem er seine Angehörigen begraben hatte — und die Grauröcke, die ihm vor die Flinte gekommen waren —, hatte er sich geradewegs ins Tal aufgemacht und sich beim nächsten Yankee-Außenposten gemeldet. Der verantwortliche Offizier war zunächst hocherfreut gewesen, da Burden als Ortskundiger nur nützlich sein konnte.
Doch dann hatte der Mann ihn klugerweise doch dreihundert Meilen weiter östlich zu einem Regiment in Massachusetts versetzen lassen.
Cecil starrte in den Regen hinaus und seufzte. Er hielt den verwundeten Arm gegen den Oberkörper gebeugt. Sie hätten besser auf ihn gehört, statt auf den Alten. Jetzt waren Burden, Adam und der Rest entweder gefangen oder tot. Außer ihm selbst gab es niemanden mehr, der sich um den Lieutenant kümmern konnte.
Wenn es nur noch nicht zu spät war.
Zur Abwechslung dämmerte der Tag einmal mit klarem Himmel. Sara lag neben ihrem schlafenden Ehemann und beobachtete, wie sich der Himmel langsam von Silbergrau zu Hellrosa verfärbte. Sie würde heute wieder waschen müssen. Robert besaß nur eine Garnitur Kleidung, die er die ganze Woche über getragen hatte, und Becky und ihr erging es nicht viel besser. Sie selbst hatte schon seit Kriegsausbruch kein neues Kleid mehr bekommen. Und für Becky mußte sie aus abgelegten Sachen ständig etwas Neues schneidern, da das Kind in letzter Zeit gewaltig in die Höhe schoß.
Sie wird genauso schlank wie ihr Vater, dachte sie und kuschelte sich noch einmal genüßlich unter den warmen Decken zusammen. Ein seltsames Gefühl war es schon, ihren Mann nach so langer Zeit wieder bei sich zu haben. Seltsam und gleichzeitig wunderbar . . . und irgendwie anders. Merkwürdig, daß sie erst durch einen Krieg und eine Trennung von mehr als zwei Jahren ihren Mann, mit dem sie schon so lange verheiratet war, richtig schätzen lernte.
Eigentlich kannte sie ihn schon ihr ganzes Leben lang. Er war nur wenige Jahre älter als sie. Seine Mutter starb, als er noch ein Baby war. Das hatte er ihr erzählt, als sie bereits miteinander verlobt waren. Mehr wußte er auch nicht, denn es wurde in seiner Familie nie von ihr gesprochen. Roberts verwitwete Großtante Abigail Gregory hatte im Haus der Jones gelebt und für Vater und Sohn den Haushalt geführt, solange nur irgendjemand denken konnte. Und Miss Abigail gehörte nicht gerade zu den geschwätzigen Frauen.
Wachsam und schnell wie eine Schlange, hatte Robert sie einmal genannt, als sie ihn dabei erwischte, wie er sich einen Pfirsich von den Bäumen auf dem Grundstück der Beils holte. Wenn es nach Sara gegangen wäre, hätte sie ihm den ganzen Baum voll geschenkt. Doch sie war damals gerade sieben und er schon elf. Ein Alter, in dem Jungen sich nach Kräften bemühen, ein Mädchen einfach zu übersehen.
Roberts Vater Adolphus war schon mehrere Jahre vor Saras und Roberts Hochzeit gestorben. Sara war gerade sechzehn gewesen, als Robert damit begann, ihr den Hof zu machen. Sie hatte sich höchst geschmeichelt gefühlt, denn er galt als der bestaussehende Mann in ganz Camden County, während sie sich selbst höchstens passabel fand. Alle hatten erwartet, Robert würde Julia
Weitere Kostenlose Bücher