Historical Weihnachtsband 1992
seinen Diener beauftragt, die Kugel zu entfernen, irgendeine stinkende Salbe auf die Wunde zu schmieren und ihn im Keller auf ein Lager zu betten.
Zum Glück war Cecil schon bald vor Schmerzen ohnmächtig geworden. Ein- oder zweimal mußte er aufgewacht sein, hatte aber ansonsten die schlimmste Zeit während des Fiebers verschlafen. Der einäugige Diener hatte ihm regelmäßig mit Wasser verdünnten Alkohol eingeflößt, wie er später von ihm erfuhr. Er hätte mir auch gleich die ganze Flasche geben können, dachte Cecil empört. Naja, zumindestens hatten die Leute ihn nicht verraten.
Sobald sich sein Kopf wieder klarer anfühlte und das Fieber ganz verschwunden war, begann Cecil Stanley, der ein recht aufgeweckter junger Mann war und vor dem Krieg den Beruf des Seidenhändlers gelernt hatte, die Fakten zusammenzutragen.
Was zum Teufel war mit seinem Lieutenant geschehen? Major Hallis hatte eine Abteilung unter Lieutenant Mallorys Führung ausgesandt, um Widerstandskämpfer aufzuspüren. Ihre Order war gewesen, die Verstecke auszumachen und rücksichtslos niederzubrennen. Es hatte auch verschiedene Anhaltspunkte gegeben, doch in keinem der durchsuchten Häuser fanden sich wirkliche Beweise, und Mallory hatte darauf bestanden, alles unberührt zu lassen. Adam dagegen war dafür gewesen, wenigstens einige Häuser zur Abschreckung niederzubrennen. Doch da Weihnachten so kurz bevorstand, hatte niemand der anderen so recht Lust gehabt, Frauen und Kindern ihr Dach über dem Kopf zu nehmen.
Verdammt, irgend etwas mußte dem Lieutenant zugestoßen sein. Vielleicht hatten sie ihn längst nach Richmond gebracht, und er schmachtete dort im Gefängnis.
Andererseits könnte er auch herausgefunden haben, daß das Kind zu einer Familie von Unterstützern der Union gehörte. Immerhin hatte der Lieutenant ihnen schon vorher deren Anhänger in der Nähe von Old Trap genannt, sie aber angewiesen, von der Information nur im Notfall Gebrauch zu machen.
Nun, was den Corporal anging, für ihn war der Notfall eingetreten. Er hätte schließlich fast den linken Arm verloren. Die Schwierigkeit war gewesen, in dieser flachen Gegend ohne wirkliche Orientierungspunkte die beschriebene Stelle zu finden. Auf dem Weg dorthin wäre er beinahe verblutet. Nur die Sorge um den Lieutenant hatte ihn aufrechterhalten.
Dem Mann mußte etwas Ernsthaftes zugestoßen sein. Mallory gehörte nicht zu den Vorgesetzten, die ihre Leute einfach im Stich ließen, wenn es Schwierigkeiten gab.
Sie hatten in der fraglichen Nacht das Lager aufgeschlagen und gewartet. Dabei waren einige derbe Bemerkungen über einsame Witwen und warme, trockene Betten gefallen. Sie hatten erwartet, daß der Lieutenant am nächsten Morgen frisch und munter wieder bei ihnen auftauchen würde. Als dies nicht eintrat, hatte Burden darauf bestanden, den Tisch, wie befohlen, zurechtzusägen. Da der Lieutenant auch dann noch nicht zurückgekommen war, zog der Alte nach Mitternacht los, um den Tisch vor dem Haus abzuliefern. Vorsichtshalber mit drei weiteren Männern, falls es brenzlig würde.
Cecil, der im Lager zurückgeblieben war, hatte sich mit Adam Dvorski über die verschiedenen Möglichkeiten, was geschehen sein könnte, unterhalten.
„So wie ich die Sache sehe", erklärte Cecil, „sind die verdammten Freischärler aus dem Sumpf gekommen und haben ihn mit heruntergelassener Hose erwischt."
„Ich habe noch nie erlebt, wie sich ein Mann auf Anhieb so mit einem Kind verstehen kann, oder du? Die Kleine hatte überhaupt keine Angst", wunderte sich Dvorski.
„Verfluchte Teufel, die Rebellen. Die dressieren sogar schon ihre Kinder, damit sie uns in den Rücken fallen können."
Burden war ohne Nachricht zurückgekommen. Er hatte nur ein Paar vertraut aussehender Militärstiefel vor dem Kamin im vorderen Zimmer entdecken können.
„Hab' den Tisch auf der vorderen Veranda abgestellt. Bin mir ganz schön blöd dabei vorgekommen."
„Also, ich meine, wir sollten anrücken und das Haus stürmen", erklärte Cecil.
„Und ich sage, wir warten, bis wir wissen, was die vorhaben", entgegnete Burden.
„Was kann schon passieren? Eine Frau und ein Kind!"
„Und was, wenn dort ein ganzes Nest Freischärler sitzt? Da ist jedenfalls noch was anderes im Spiel, nicht nur so ein harmloses Rebellenkind", gab Burden zu bedenken.
„Zum Teufel noch mal. Schließlich haben wir genug Feuerkraft. Wir gehen einfach rein, so wie der Lieutenant gesagt hat. Immer zwei und zwei, eine Gruppe vorn und
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