Historical Weihnachtsband 1992
Norfolk heiraten, aber dann war Julia mit einem anderen Jungen durchgebrannt. Danach wartete Robert jeden Sonntag nach der Kirche auf Sara, um sie nach Hause zu begleiten.
Er erzählte ihr gleich zu Anfang, daß er gar nicht die Absicht gehabt hatte, Julia zu heiraten. Sie besaß nicht das Zeug zu einer guten Farmersfrau. Zu verwöhnt und zu eitel.
Sara dagegen kannte sich mit der Arbeit auf einer Farm aus. Und auch wenn sie nicht gerade eine Schönheit war, hatte Robert sie doch attraktiv genug gefunden.
Und sie hatte Hände, die fest zupacken konnten. Das war das wichtigste.
Sara hatte ihre Wahl nie bereut, auch Robert nicht. Jedenfalls nicht, soweit sie wußte. Vielleicht liebte er sie damals, als sie heirateten, noch nicht so sehr. Doch mit der Zeit hatte sich das geändert. Auch ihre Liebe war stetig gewachsen, noch als er fort war und sie ihn totgeglaubt hatte. Und seit seiner Rückkehr . . .
Ja, es gab wohl nicht viele Frauen, die so zärtlich umworben wurden, wie sie es in der letzten Woche erfahren hatte. Nicht einmal in der Hochzeitsnacht.
Widerstrebend beschloß sie schließlich aufzustehen. Sie hörte, wie Robert undeutlich vor sich hinmurmelte, und betrachtete ihn mit dem gleichen zärtlichen Lächeln, mit dem sie auch immer Becky ansah. Trotz ihrer Sorgen und der unsicheren Zukunft wußte sie plötzlich, daß sie dem vollkommenen Glück noch nie näher war als in diesem Augenblick. Ihre kleine Tochter, ihr kostbarster Besitz, schlummerte im Zimmer gegenüber, und hier lag ihr starker, wunderbarer Mann und schlief sicher an ihrer Seite.
„Ich überlege schon", flüstete sie ihm leise ins Ohr, „ob ich die Wäsche nicht verschieben soll. Dann schaffe ich es vielleicht, daß du den ganzen Krieg und dein geliebtes Regiment einfach vergißt." Ich wäre dazu imstande, dachte sie. Dabei huschte ein verschmitztes Lächeln über ihr Gesicht. In den vergangenen Nächten hatte sie schließlich mehr über die körperliche Liebe gelernt als in ihrem ganzen vorherigen Leben.
Ohne richtig aufzuwachen, murmelte Robert ein paar Worte und rollte sich dann zur Seite. Genau in dem Moment, als Sara die Decken hob, um doch aufzustehen. Sie konnte nicht anders, als einen letzten Blick auf den schönen nackten Männerkörper neben sich zu werfen, der ihr so viel Freude bereitet hatte. Sie sah seine Schulter und . . . runzelte die Stirn.
War sie nicht vielleicht döch auf der anderen Seite? Die Narbe von der Verletzung durch den wütenden Stier von Lukey Stevens, als Robert versuchte, die junge Kuh zu befreien, die sich im Zaun verfangen hatte?
Nein, es war die rechte Seite gewesen. Sie erinnerte sich genau. Er hatte danach wochenlang solche Schmerzen gehabt, daß er kaum eine Hacke oder einen Hammer anfassen konnte, ohne aufzustöhnen.
Aber wie . . ?
Sara streckte die Hand aus, um über die makellose Haut an der Schulter zu streichen, zog sie jedoch im letzten Moment zurück. Sie schob ihr Haar aus dem Gesicht und betrachtete die Stelle noch einmal genau, an der eigentlich die tiefe dreizackige Narbe zu sehen sein mußte. Nein, sie war nicht mehr da.
Irgendwie rettete sie sich über den Tag. Obwohl sie protestierte, bestand Robert darauf, ihr den Waschkessel ins Freie auf den Vorplatz zu ziehen und das Feuerholz zum Anheizen heranzuschaffen.
„Na gut, wenn du schon einmal dabei bist, kannst du jetzt noch die Späne zum Feueranzünden mitnehmen, aber dann bleibst du im Haus, Robert Jones. Hast du mich verstanden? Stell dir vor, es kommt jetzt eine Yankee-Patrouille vorbei."
„Ach, denen erzähl ich einfach, daß ich die Gegend nach Freischärlern durchkämme."
„So wie du neuerdings daherredest, könnte man fast glauben, du wärst selbst ein Yankee."
Robert schob sein dunkles Haar nach hinten und zwinkerte seiner Frau zu. Das ist auch neu, dachte Sara. Früher hatte er
es nie so leicht genommen, wenn sie ärgerlich war, sondern ebenfalls losgeschimpft.
Und nach jedem Streit schwiegen sie sich an, bis Sara den ersten Schritt auf ihn zu tat. „Naja, wie dem auch sei", fuhr sie fort. „Deine Einheit kommt genausogut noch eine Weile ohne dich aus. Und bevor du weiterfragst. Ich lasse dich sowieso nicht eher gehen, bis ich Jimmy getroffen habe und er jemanden gefunden hat, der dich sicher durch die Linien bringt."
„Und ich dachte, du wolltest überall erzählen, ich sei dein halbverrückter Bruder", neckte er sie. Sara griff nach dem Waschstock und tat so, als wollte sie ihn damit ins Haus
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