Historical Weihnachtsband 2010
war im Begriff, sie aus dem Gemach zu geleiten, als Lord Orrick antwortete.
„Das tut er auch nicht, Elizabeth. Das tut er auch nicht.“
7. KAPITEL
Elizabeth brauchte zwei Tage, bis sie den Mut fand, eine Entscheidung zu treffen. Lady Margarets Dienerin schien immer neue Arbeiten zu haben, die sie erledigen musste, sodass ihr genug Zeit zum Nachdenken blieb. Die Arbeit entzog sie auch den Blicken der anderen Bewohner der Burg. Um die Wahrheit zu sagen, sorgte Lady Margaret auch dafür, dass Elizabeth in dieser Zeit Lord Gavin nicht sah. Und dass er sie nicht fand. Elizabeth wusste allerdings nicht, ob er sie überhaupt suchte. Doch die Dringlichkeit, mit der er sie zu sich gebeten hatte, ließ sie es vermuten.
Es fiel ihr nicht im Geringsten schwer, sich für die Gemeinschaft der Gilbertinen zu entscheiden. Lord Orricks Bürgschaft und Lady Margarets Fürsprache genügten völlig, um die Erlaubnis zu erhalten, der Gemeinschaft beizutreten. Sie glaubte nicht, dass sie die Gelübde ablegen und den Schleier würde nehmen können, denn es verlangte viel Buße und Gebet, um ihre Seele von all den Verfehlungen zu reinigen. Und sollte sie doch feststellen, dass der Ruf sie erreichte, so würde der in der Hütte versteckte, juwelenbesetzte Ring ihrer Mutter ausreichen, um die verlangte Mitgift zu bezahlen.
Jetzt, wo sie ihre Entscheidung getroffen hatte und wusste, dass sie selbst ihren Lebensweg bestimmte, fühlte sie sich stärker. Dieses Wissen minderte aber nicht die Dankbarkeit, die sie dem Herrn und der Herrin von Silloth schuldete, und die sie ihnen gegenüber auch empfand. Orrick hätte sie für immer zur Leibeigenen erklären und sie zwingen können, Teil seines Besitzes zu werden. Niemand hätte ihm dieses Recht absprechen können oder wollen. Doch er hatte es nicht getan. Ein weiterer sehr ungewöhnlicher Umstand, für den sie ihm dankbar war.
Langsam schritt sie die Stufen hinunter und den Gang entlang, der zu Lord Gavins Kammer führte. Ruhig stand sie vor seiner Tür und überdachte noch einmal alles. Wenn sie die Welt bald hinter sich ließ, dann wollte sie zuvor noch einmal mit ihm zusammen sein. In seinen Umarmungen und Küssen hatte so etwas wie ein Versprechen gelegen. Ein Versprechen, nach dem sie sich sehnte, auch wenn sie es nicht bestimmen konnte. Ihr Körper hatte auf die Berührungen vieler Männer reagiert, aber ihr Herz und ihre Seele nur auf die seinen. Während sie die Hand hob, um an die Tür zu klopfen, betete sie, er möge ihr diese kleine Gunst nicht verwehren.
Sie hörte, wie er sich im Zimmer bewegte, und wartete darauf, dass er die Tür öffnete. Eigentlich hätte seine Erscheinung sie nicht überraschen sollen. Trotzdem war sie verwirrt. Als er die Tür öffnete, blieb er zwar dahinter stehen, an seiner Haltung erkannte sie aber, dass er nackt war und dass er sein Schwert bereithielt. Sein wirkliches Schwert. Er machte große Augen und öffnete die Tür weit, um sie hereinzulassen. Während sie eintrat, zog er rasch seine Beinlinge an.
„Eine alte Gewohnheit“, meinte er und deutete mit dem Kopf auf das Schwert, das neben der Tür am Boden lag. „Ich erwartete keine Besucher heute Nacht.“
Stunden zuvor hatte sie sich überlegt, was sie ihm sagen würde. Doch all die wohlvorbereiteten Worte lösten sich in Luft auf, als sie seinen hungrigen Blick sah. Waren Worte jetzt überhaupt noch notwendig? Sie würde jemanden seines Ranges nicht mit Liebesschwüren belasten. Sie brachte sie nicht über die Lippen, denn er konnte sie oder das Versprechen, das damit einherging, nicht annehmen. Er würde wissen, was ihre Anwesenheit und die Tatsache, dass sie sich ihm darbot, zu bedeuten hatte.
Jetzt standen sie sich einige Schritte voneinander entfernt gegenüber. Das reine Entsetzen hielt Elizabeth davon ab, den ersten Schritt zu tun. So vieles stimmte nicht. Und so vieles konnte schiefgehen. Aber tief in ihrem Innern wusste sie, dass er es nicht zulassen würde, und so bewegte sie sich als Erste. Es war nur ein ganz kleiner Schritt, doch als sie ihn tat, breitete Gavin sofort die Arme aus. Und schon schmiegte sie sich an ihn, und seine Stärke hüllte sie ein.
Unsicher, was jetzt wohl geschehen würde, wartete Elizabeth ab. Würde es so schnell gehen wie beim letzten Mal? Würde er es hinauszögern, weil er auch bei ihr Gefühle wecken wollte, während er sein Vergnügen hatte? Manche Männer taten es. Würde er sie nehmen? War sie überhaupt fähig dazu?
Elizabeth rang nach Atem.
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