Historical Weihnachtsband Band 4
war dann der bisher größte Schlag für sie gewesen. Nun schwebte auch noch die Zukunft ihrer geliebten Buchhandlung in Gefahr. Doch diese Neuigkeit hielt sie vor ihren Freundinnen geheim, um ihnen nicht die Weihnachtstage zu verderben.
Gereizt meinte sie jetzt: „Ich muss sagen, Mr Scrooge gefiel mir viel mehr vor seiner so genannten Besserung.“
Ihre Freundinnen sahen sie erstaunt an.
„Fiona, wirklich“, protestierte Addie und verschluckte sich fast an ihrem Zitronenkuchen, „wie kannst du so etwas sagen? Scrooge war ein so unglücklicher, gemeiner alter Geizhals.“
„Fiona, meine Liebe“, warf Claire sanft ein. „Im Grunde stimme ich dir ja zu.
Wahrscheinlich ist er uns sympathisch, weil wir wie er herzlich wenig für Weihnachten übrighaben.“
Fiona nickte und spürte zu ihrem Entsetzen, wie ihr Tränen in die Augen stiegen.
Hastig blickte sie auf ihre Hände und strich gedankenverloren über den schwarzen Baumwollstoff ihres Trauerkleides. Es gab noch einen weiteren Grund für ihre Schwermut, den sie vor allen geheim hielt. Sie hatte am ersten Weihnachtstag Geburtstag, und es war ihr dreißigster. Sobald die Uhr morgen zur Mitternacht schlug, würde sie sich ein für alle Mal mit dem Schicksal einer alten Jungfer abfinden müssen. Aber wenigstens eine alte Jungfer, die sich selbst ernähren konnte – wenn sie es schaffte, ihre Buchhandlung zu behalten.
Mühsam riss sie sich zusammen. Zwar wollte sie ihren Freundinnen nicht die Freude auf das Weihnachtsfest vergällen, doch sie war stolz auf ihre Ehrlichkeit, selbst wenn man ihr oft vorwarf, dass sie es meist damit übertrieb. „Gewiss, Scrooge ist viel zu hart mit seinem Gerede über die Notwendigkeit von Arbeitshäusern und dass man unbedingt etwas gegen die überzählige Bevölkerung tun solle. Aber wenigstens ist er kein Heuchler. Warum sollten wir eine Fröhlichkeit vortäuschen, die wir nicht empfinden können? Nur weil der Kalender uns dazu zwingt? Es kommt mir ganz fürchterlich falsch vor, und ich zumindest bin entschlossen, da nicht mitzumachen.“
Ungeduldig strich sie sich eine kupferrote Locke aus der Stirn. Ihre blauen Augen blitzten ärgerlich. „Gerade wir haben doch nun wirklich keinen Grund, zu Weihnachten oder zu sonst einer Zeit fröhlich zu sein, oder?“
„Wenigstens haben wir unsere Gesundheit“, wandte Claire ein.
Addie schluckte mühsam und sagte kummervoll: „Und ihr beide könnt auf eine romantische Zukunft hoffen.“
Wie immer sehr elegant in ihrem marineblauen Wollrock und dazu passender Jacke, schüttelte Claire entschieden den Kopf. „Addie, woher willst du wissen, ob du nicht vielleicht deiner wahren Liebe begegnest, während du in einem Park von Paris eine Skizze anfertigst? Und du, Fiona, wirst deinen Traummann vielleicht auf die gleiche Weise kennenlernen wie Addie und mich – hier in deiner Buchhandlung.“
Fiona musste gegen ihre Tränen ankämpfen. Woher sollten ihre Freundinnen auch wissen, dass das Geschäft, die Bücher, ja, sogar der Tisch, an dem sie saßen, ihr jeden Moment entrissen werden konnten?
Ihnen zuliebe zwang sie sich zu einem Lächeln und schenkte ihnen Tee nach. „Was dieses Weihnachtsfest und das neue Jahr auch bringen mögen, wenn ich eure Freundschaft besitze, wozu brauche ich da einen Mann?“
„Ja, wozu wohl!“
Fern, Fionas Schutzengel, wandte sich mit einer kläglichen Grimasse an ihre Gefährtinnen Periwinkle und Rose, die neben ihr über den Bücherregalen schwebten. „Die arme Fiona hat nicht nur jede Hoffnung auf Weihnachten aufgegeben, sondern auch auf die wahre Liebe. Und das ist allein meine Schuld!“ Ein Schluchzen unterstrich ihre dramatische Äußerung, während türkisfarbene Funken sich zu den Staubkörnchen in der kühlen Luft gesellten.
Sie konnte sich den Unfall vor fünf Jahren nicht verzeihen. Fiona hatte ihren Vater zu einer Auktion in Hungerford in der Nähe von Oxford begleiten wollen. Dort sollten sie die Bibliothek eines Lords begutachten, und Fiona hätte so auch ihre wahre Liebe kennengelernt. Doch kurz bevor sie in den Zug steigen wollten, hatte Fern ihre Pflichten als Schutzengel sträflich vernachlässigt. Abgelenkt durch den hübschen Schal einer anderen Reisenden – natürlich in einem wunderschönen Türkis – hatte sie ihre Aufmerksamkeit einen winzigen Moment von Fiona abgewendet. Eine winzige Unachtsamkeit mit verheerenden Folgen. Von der Menge mitgerissen, war Fiona auf einer vereisten Stelle auf dem Bahnsteig ausgerutscht
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