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Hitlers Berlin

Hitlers Berlin

Titel: Hitlers Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Felix Kellerhoff
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nach seiner Entlassung aus der Festung Landsberg fand Mitte März 1925 statt, nur zwei Wochen nach der offiziellen reichsweiten Neugründung seiner Partei. Offensichtlich war die Hauptstadt wie schon 1922/23 sein wichtigstes Ziel außerhalb Münchens – nach einem Abstecher ins fränkische Nürnberg war die Fahrt nach Berlin Hitlers erste Reise. Am 13. März stand zunächst ein Gespräch mit den Führern der teils verbündeten, teils um dieselben Wähler konkurrierenden Deutschvölkischen Freiheitspartei auf dem Programm, an der auch jene Parteigänger Hitlers teilnahmen, die 1924 auf einer Gemeinschaftsliste der Völkischen ins Parlament gewählt worden waren: der Apotheker Gregor Strasser, der Jurist Wilhelm Frick und der Schriftsteller Gottfried Feder. Das Treffen fand im Reichstagsgebäude statt, das Hitler laut NSDAP-Annalen angeblich während der »Kampfzeit« niemals betreten haben soll. Der Anlass war bedeutend, ging es doch bei diesem Gespräch um die Aufstellung eines völkischen Kandidaten für die kurzfristig anberaumte Neuwahl des Reichspräsidenten. Hitler schätzte bei dieser Besprechung die Verhältnisse durchaus realistisch ein: »Es ist vollkommen gleichgültig, wer kandidiert. Von meinem Standpunkt aus gesehen ist der schlechteste der Kandidaten gerade gut genug. (…) Aus diesen Erwägungen heraus bin ich auf Ludendorff gekommen. (…) Ich bin nicht so naiv anzunehmen, daß er diesmal gewählt werden könnte. Die Kandidatur als solche ist vielmehr vollkommen aussichtslos. Es handelt sich, wie gesagt, einzig und allein um die prinzipielle Bedeutung.«
    Bei seiner ersten Rede in Berlin seit Juni 1922, die er am selben Abend vor geladenen Anhängern hielt, behauptete er allerdings das Gegenteil; laut eines Polizeiberichts sagte Hitler: »Die Herren [von der nationalen Rechten] sollen nicht glauben, daß wir tot sind; so tot sind wir noch lange nicht, daß man uns bei der Wahl unseres Staatsoberhauptes übergehen dürfte. Ich bin mir darüber klar, daß diese Sonderkandidatur für unsere Bewegung ein gewisses Vabanque-Spiel mit sich bringt. Es geht hier aber um Sein oder Nicht-Sein der NSDAP. Außerdem dokumentieren wir in unserer Treue zu unserem Führer Exzellenz Ludendorff, dass in deutschen Landen noch Treue um Treue gilt.« Dieses Bekenntnis war glatt gelogen; als das Wahlergebnis für den General 1,1 Prozent im Reich und sogar nur 0,4 Prozent in Berlin auswies, soll Hitler zu seinem Vertrauten Hermann Esser gesagt haben: »Ganz gut so – jetzt haben wir ihn endlich erledigt.« Die Demütigung für Ludendorff war verheerend, da selbst weit weniger profilierte Kandidaten wie Karl Jarres (DNVP/DVP) oder Willy Hellpach (DDP) deutlich mehr Stimmen bekamen. Im zweiten Wahlgang trat Ludendorff nicht mehr an; gewählt wurde schließlich sein einstiger Vorgesetzter Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg. Nach seiner Rede am 13. März bestätigte Hitler noch die Berliner Ortsgruppe der NSDAP und setzte den Regierungsrat Erich Schlange als ersten Gauleiter ein. Der neue Chef verlegte umgehend den Sitz der Berliner Ortsgruppe: in die Kaiserallee 172 im bürgerlichen Wilmersdorf, Schlanges Privatwohnung. 4

    Vorerst fühlte sich die Gruppe wie viele der neu gegründeten NSDAPGruppen in Norddeutschland der Idee eines »nationalen Sozialismus« verpflichtet. Die Gebrüder Gregor und Otto Strasser gaben diesen Vorstellungen ein programmatisches Gerüst, indem sie aus der Fülle geläufiger völkischer Vorurteile eine »linke« Auswahl trafen. Noch war der Konflikt zwischen dem bohemehaften Münchner Kreis um Hitler und der eher plebejischen nord- und westdeutschen Organisation Strassers nicht ausgebrochen; noch konnte die von Otto Strasser redigierte Ber li ner Arbeiterzeitung als offizielles Blatt des hauptstädtischen NSDAP-Gaus erscheinen. Ihre Auflage betrug nach eigenen Angaben anfangs 3000 Exemplare pro Ausgabe und stieg angeblich auf maximal rund 5000 Stück an; wahrscheinlich kräftig übertriebene Zahlen. Jedenfalls kamen zu den wenigen größeren Veranstaltungen der Berliner NSDAP 1925 laut eigenen Angaben maximal 2000 Besucher. Tatsächlich dürften es kaum halb so viel gewesen sein, von denen zudem viele Neugierige aus völkischrechtsextremen, aber eben nicht nationalsozialistischen Splittergruppen stammten. Eine enttäuschende Zahl, verglichen mit dem Publikum, das Hitler zur selben Zeit in Süddeutschland mobilisieren konnte. Auch organisatorisch kam die Ortsgruppe wenig voran; die

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