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Hitlers Berlin

Hitlers Berlin

Titel: Hitlers Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Felix Kellerhoff
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Prozent betragen, so sank er ab 1933 auf gerade zwei Prozent. Für effizienten Hausbau brauchte man außerdem gelernte Bauarbeiter, die aber bei den häufig in Rekordzeit errichteten Prestigebauten gebunden waren; die Masse der Arbeitslosen dagegen ließ sich besser mit Erdarbeiten beschäftigen, wie sie vor allem bei Straßenbauprojekten anfielen. Die geringeren Mittel führten außerdem zu einer Qualitätssenkung: Die neu errichteten Wohnungen waren oft kleiner als jene, die vor 1933 entstanden waren. Bad und Küche wurden einfacher ausgestattet, auf Balkons verzichtete man vielfach aus Kostengründen. Auch in anderen Bereichen sanken die Standards, was durch organisierte und subventionierte Ablenkungsprojekte wie die »Kraft durch Freude«-Reisen verschleiert wurde. Auch der »Kraft durch Freude«-Wagen, besser bekannt als Volkswagen oder einfach Käfer, war ein in einer offenen Gesellschaft unmöglicher Betrug: 336 000 Deutsche kauften ab 1938 Sparmarken für ein eigenes Auto, 60 000 hatten sogar bei Kriegsbeginn die Gesamtsumme von 1000 Reichsmark abgezahlt – erhalten hat seinen Käfer jedoch nicht einer von ihnen. 5
    Nach der Ausschaltung der Gewerkschaften und der unabhängigen Justiz konnten Behörden und Arbeitgeber Lohnsenkungen und höhere Arbeitszeiten durchsetzen. Zwar gab es dagegen durchaus Widerspruch und es kam sogar zu Arbeitsniederlegungen, aber da die gleichgeschaltete Presse darüber nicht berichtete, erzielten die Aktionen keine Öffentlichkeit. Meist wurden sie entweder durch die Verhaftung der »Aufrührer« oder ihre sofortige Entlassung unterbunden, in manchen Fällen auch durch geringfügiges Entgegenkommen beigelegt. Aus Berlin sind in den Deutschlandberichten der Exil-SPD, verglichen mit anderen Regionen des Reiches, relativ wenige Fälle von Arbeitsniederlegungen und noch weniger Beispiele für erfolgreiches Aufbegehren in den Betrieben überliefert. Im Dezember 1935 sollten die Arbeiter der Apparatefabrik der AEG in der Ackerstraße (Wedding) »freiwillig« einem zusätzlichen Abzug von ihrem Lohn zugunsten des nationalsozialistischen Winterhilfswerks zustimmen, und zwar in Höhe von mindestens zehn Prozent der Lohnsteuer. Die gesamte Belegschaft gab die Formulare durchgestrichen zurück. »Zuerst waren die Nazivertrauensleute sehr erschocken. Sie verlangten von dem einen oder anderen eine Begründung. Diese schrieben dann auf einen Zettel: ›Zu wenig Lohn!‹, andere schützen auch andere Gründe vor. Aber keiner ließ sich dazu bewegen, etwas zu zeichnen. Bis nach Weihnachten geschah in dieser Abteilung den Kollegen nichts. Winterhilfe wurde ihnen nicht abgezogen.« Ähnliches wurde aus einem Berliner Siemens-Werk in Lichtenberg berichtet. Noch deutlicher wurden die Arbeiter einer nicht genauer genannten Baustelle im Berliner Norden. Als die Firma ihren Lohn schuldig blieb, legten sie die Arbeit nieder. Die Betriebsleitung holte die Gestapo, doch die Arbeiter reagierten unerschüttert: »Die Kollegen sagten zu dem Gestapobeamten: ›Habt ihr euer Gehalt vom vorigen Monat bekommen? Wir wollen auch unser Geld!‹ Die Gestapo zog ab, ohne einzugreifen, und nach einer Weile wurde der Lohn ausgezahlt«, heißt es in den De utschlandberichten. Doch solche Aktionen waren Einzelfälle; von einer nennenswerten Distanz der Berliner Bevölkerung zu Hitler war Mitte der dreißiger Jahre nichts zu spüren. Im Gegenteil: Seine Herrschaft war eine populäre Diktatur. Wesentlich dabei war allerdings die erzwungene Zurückhaltung: Wer dem Regime kritisch gegenüberstand, fiel lieber nicht auf. Als wirkungsvolle Ventile gegen trotzdem aufkommende Unzufriedenheit erwiesen sich der bewusst geförderte »Hitler-Mythos«, also die Trennung zwischen der unangefochtenen Person des Reichskanzlers und den durchaus kritisierbaren Auswüchsen des Einparteienstaates, und die Flüsterwitze. Letztere bargen im Falle einer Denunziation das Risiko, bei der Gestapo registriert zu werden. Für das Erzählen eines Witzes kam zwar bis 1939 niemand ins KZ oder wurde vom Sondergericht verurteilt; wer jedoch einmal in der mehrere Millionen Einträge umfassenden Zentralkartei in der Prinz-Albrecht-Straße verzeichnet war, musste Nachteile im Alltag fürchten. Die meisten Berliner aber arrangierten sich reibungslos mit dem System. 6

    Bühne der Selbstdarstellung

    Eine Bühne vor der gesamten Weltöffentlichkeit boten Adolf Hitler und seinem nationalsozialistischen Deutschland die Olympischen Spiele 1936. Schon 1930 hatte

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