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Hitlers Berlin

Hitlers Berlin

Titel: Hitlers Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Felix Kellerhoff
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nichts davon bemerkt: »Berlin selbst überrascht als Ort, der so weit weg, wie man es sich nur denken kann, von dieser entscheidenden Schlacht vor Paris entfernt ist. Es ist wirklich ein merkwürdiges Phänomen. Am heutigen Sonntag – es war warm und schön – schien jeder, der noch in Berlin ist, einen Ausflug in die Wälder oder zu den Seen in der Umgebung zu unternehmen. So friedlich und ruhig war die Atmosphäre. Tausende drängelten sich im Strandbad am Wannsee. Hunderte von Segel- und Paddelbooten auf der Havel. Familien kamen zum Picknick. Und bislang gab es hier, trotz gewisser Berichte kürzlich, nicht einmal einen Luftalarm.«
    13 Tage später, am 22.Juni 1940, kapitulierte Frankreich. »Die stürmische Begeisterung der letzten Wochen hat sich angesichts (…) der jetzt eingetretenen Waffenruhe in eine mit stiller, stolzer Freude und Dankbarkeit für Führer und Wehrmacht gezeichnete Feierstimmung gewandelt«, heißt es im geheimen Bericht Nr. 100 des SD vom 27. Juni. Hitler hatte den Gipfel seiner Macht erreicht. Am 6.Juli 1940 rollte sein Sonderzug, vom zwischenzeitlich nach Frankreich verlegten Führerhauptquartier kommend, in der Reichshauptstadt ein. Goebbels notierte: »Um zwei Uhr ist der Wilhelmplatz ein einziges Menschenmeer. Alles wartet auf den Führer. Darüber liegt eine wunderbare Julisonne. Ein richtiger Festtag. Nach all den Strapazen und Mühen ist einem ganz feierlich zumute. Fahrt zum Anhalter Bahnhof. Ein einziges Menschenmeer. Die Straßen sind ganz mit Blumen bestreut und gleichen einem bunten Teppich. (…) Der Führer ist sehr gerührt.« Filmaufnahmen bestätigen Goebbels’ Beschreibung; es handelte sich offensichtlich um echten, nicht um verordneten Jubel. 7

    Der Luftkrieg beginnt

    In der Nacht vom 24. auf den 25. August 1940 kam es zu einem folgenreichen Fehler: Einige deutsche Bomber, die in der Luftschlacht um England britische Flugzeugfabriken attackieren sollten, verloren den Kontakt zu ihren Führungsmaschinen, kamen vom Kurs ab und gerieten in heftiges Flakfeuer. Gegen 22 Uhr warfen sie ihre tödliche Last ab und flogen heimwärts. Die Bomben fielen jedoch nicht auf militärische oder industrielle Ziele, sondern auf die City von London. Sie zerstörten die kleine Kirche St. Giles, stürzten die Statue des Dichters John Milton von ihrem Sockel und töteten mehrere Zivilisten. Luftwaffen-Chef Göring hatte seinen Piloten zwar prinzipiell freie Hand bei der Suche ihrer Ziele gegeben, aber die Innenstadt Londons ausdrücklich ausgenommen. Noch ein Befehl vom gleichen Tag hatte Angriffe auf die britische Hauptstadt von Hitlers persönlicher Genehmigung abhängig gemacht.
    Die britische Luftwaffe reagierte rasch: Schon in der nächsten Nacht flogen 81 Bomber einen Angriff auf Berlin. Zuvor hatte die RAF vor allem Fabriken im Ruhrgebiet und Hafenanlagen an der Nordseeküste attackiert, dabei aber auch bereits Wohngebiete getroffen. Nur 29 Maschinen erreichten das Stadtgebiet und warfen ungezielt etwa 22 Tonnen Bomben ab. Gut drei Stunden, von 0.19 bis 3.23 Uhr, dauerte dieser erste ernsthafte Luftalarm in der Reichshauptstadt; es gab keinen Toten, aber elf Verletzte. Am folgenden Morgen hatte Berlin eine neue »Sehenswürdigkeit«. Der damals gerade siebenjährige Peter Jung berichtete später: »Die ersten von Bomben getroffenen Häuser waren ein Anziehungspunkt für Neugierige. Ich kann mich erinnern, daß meine Mutter mit mir zur Lüneburger Straße in Moabit fuhr, um sich dort ein von Bomben getroffenes Haus anzusehen. Diese Ruine aus Mauersteinen und Balken habe ich noch heute vor Augen.« William Shirer hielt in seinem Tagebuch fest: »Die Berliner sind wie vor den Kopf geschlagen. Sie haben nicht damit gerechnet, daß so etwas je passieren könnte. Zu Beginn des Krieges hat Göring ihnen versichert, es werde nie geschehen. (…) Sie haben ihm geglaubt. Umso größer ist jetzt ihre Desillusionierung. Man sieht es ihnen am Gesicht an.« In seiner alle zwei Tage ausgestrahlten Sendung berichtete Shirer seinen Hörern am 26. August, während die Sirenen den nächsten Luftalarm verkündeten: »Das Feuerwerk letzte Nacht, das mehrere Millionen Berliner für drei Stunden in die Keller trieb und beträchtliches Flakfeuer auslöste, macht in den Berliner Zeitungen von heute eine Nachricht von sechs Zeilen aus.« Doch auch wenn die Zeitungen das Thema auffallend knapp behandelten, war es doch Gesprächsthema Nummer eins in der Stadt. Einen Satz strich der Zensor des

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