Hitzetod
schrecklich aus. Kann ich dir was zu trinken holen?«
»Nein danke. Wo ist Roger?«
Ein kurzes Innehalten und das Aufflackern von etwas, was das Mitgefühl in ihren Augen ablöste.
»Er ist übers Wochenende nach Dublin gefahren. Golftrip mit seinen Kumpels.«
»Ist Siobhan im Bett?«
»Wo sollte sie denn sonst um diese Zeit sein?« Plötzlich lachte Wendy. Ein samtiges, volles Lachen, in dem irgendwo ein Schnurren mitklang. »Mein Gott, Jack, was sollen wir bloß mit dir machen?«
»Wenn ich ein Pferd wär, könntet ihr mich erschießen.« Er lächelte. »Du bist ein guter Mensch, Wendy.«
»Warum gehst du nicht rauf und schaust nach ihr?«
»Sie wird schlafen.«
Wendy schüttelte den Kopf. »Sie wird das Auto gehört haben. Sie war genauso in Sorge um dich wie ich. Noch mehr. Sie hat den ganzen Tag darauf gewartet, dass du kommst, weil sie dir unbedingt ihr Erstkommunionkleid zeigen möchte.«
»Herrje, ihre Erstkommunion. Wann ist die?«
»Am Sonntag. Es ist ein hübsches Kleid.«
»Ich wette, sie sieht bildschön darin aus.«
»Wie eine Prinzessin.«
»Dann gehe ich jetzt rauf zu ihr.« Er stand auf, und Wendy legte ihm wieder die Handfläche auf die Wange.
»Wir vermissen sie alle.«
Er nickte und richtete den Blick auf ein silbern gerahmtes Foto, das auf dem Kaminsims stand. Die Augen seiner Frau lächelten einer Zukunft entgegen, die sie nicht sehen konnte.
Delaney schob die Tür zum Schlafzimmer seiner Tochter auf. Das war wieder eine andere Welt, ein anderes Universum. Eine Welt pastellfarbener Lichter und zarter Farben. Ein Königreich der Teddybären und Weichpuppen. Die Welt seiner dunkelhaarigen, helläugigen siebenjährigen Tochter. Sie hatte die blauen Augen ihrer Mutter, die ihre besondere Eigenart widerspiegelten. Als er den Raum betrat, lächelte sie ihm entgegen.
»Hallo Cowboy.«
»Hallo Partner. Gib mir einen Kuss.« Er schloss sie in die Arme, als sie sich wie von einem Trampolin von ihrem Bett abstieß.
»Ich will eine Geschichte.«
Delaney setzte sie mit einem zweiten Kuss wieder auf ihr Bett. »Es ist sehr spät, mein Schatz.«
»Bitte.«
Diesen Augen konnte er nicht widerstehen. »Also gut. Eine kleine.«
»Mit Schießgewehren und Drogen und ermordeten Frauen.«
»Heute Nacht nicht.«
»Na gut. Dann eins von deinen Märchen.« Siobhan lächelte unwillig und tat, als sei sie enttäuscht.
Zum ersten Mal an diesem fürchterlichen Tag lachte Delaney und setzte sich neben sie aufs Bett, während sie sich in die Wärme ihrer mit Comicfiguren verzierten Decke kuschelte.
»Es war einmal vor sehr, sehr langer Zeit, im Jahr unserer Grünkohl- und Speckmahlzeit, da lebte tief, tief im alten Wald der Sohn eines armen Holzfällers, der mit einem Fluch zur Welt gekommen war. Er war ein großer Künstler. Das heißt, er wäre es gewesen, wenn seine Hände mitgespielt hätten. Sein Kopf war voller wunderschöner Bilder, die er malen wollte, aber immer, wenn er seinen einfachen Pinsel auf die Leinwand setzte, zuckte seine Hand und geriet außer Kontrolle. «
»Warum?«
»Ja, warum? Das ist die Frage aller Fragen, und wenn wir die beantworten können, haben wir auf alles eine Antwort.«
»Aber warum haben seine Hände gezuckt?«
»Tja, eine böse Hexe hatte ihn bei seiner Geburt verwünscht. Immer wenn er versuchte, ein Bild zu malen, kam etwas ziemlich Teuflisches dabei heraus und alle lachten ihn aus. Eines Tages wurde er so mutlos, dass er beschloss, sich aufzumachen und ein Heilmittel für sein Problem zu suchen. Nun wusste aber jeder in dem alten Wald, dass nur der alte Eremit, der oben auf dem Hügel in einer Höhle lebte, ein solches Problem für ihn lösen könnte. Also begab sich der Sohn des armen Holzfällers zu ihm.«
»Was hat er gesagt?«
»Der alte Eremit hatte großes Mitleid mit ihm. Das war eine wohltuende Abwechslung für den Jungen, und schon bald schöpfte er neue Hoffnung. Der Eremit gab ihm nämlich einen merkwürdigen Pilz mit und forderte ihn auf, ihn zu essen und anschließend in seinen Teich zu schauen. Der Holzfällersohn tat, wie ihm geheißen, und als er hineinschaute, erschien ihm das Traumbild eines wunderschönen Mädchens. Der Eremit sagte zu ihm, er bräuchte nur dafür zu sorgen, dass das Mädchen sich in ihn verliebte, dann würde der Fluch aufgehoben.«
»Wie hieß es? Das wunderschöne Mädchen?«
»Sie hieß Estrella, Prinzessin Estrella, und war wirklich das schönste Mädchen, das er je gesehen hatte.«
»Und hat er sie
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