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Hitzetod

Hitzetod

Titel: Hitzetod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Pearson
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geheiratet?«
    »Singend vor Freude und Erwartung machte er sich auf den Weg zum Schloss. Als er ankam und zu der Prinzessin hineingeführt wurde, konnte er sein Glück nur mit Mühe verbergen. Als die Prinzessin jedoch von seiner Mission erfuhr, brach sie in silberhelles Gelächter aus, verzauberte ihn mit einer Handbewegung und ließ ihn auf die Größe eines Froschs zusammenschrumpfen. Dann stellte sie ihn in einem Glasgefäß auf ein Regal neben all die anderen jungen Männer, die ähnliche Vorstellungen gehabt hatten und nun ähnlich aufbewahrt wurden.«
    Siobhan blinzelte schläfrig.
    »Warum hat sie das gemacht?«
    »Tja, weißt du, die Prinzessin war in Wirklichkeit die Tochter der bösen Hexe. Der Sohn des armen Holzfällers liebte sie trotzdem noch und war gar nicht mal so unglücklich, denn er konnte sie ja durch das Glas hindurch immer anschauen.«
    Siobhan fielen wieder die Augen zu, und während sie den Kopf auf dem Kissen umdrehte, murmelte sie: »Ganz schön fies, so was.«
    Delaney fuhr ihr mit einer Hand tröstend übers Haar, während die andere mit festem Griff ihre kleine Hand umschloss.
    »Und überhaupt war das keine besonders gute Geschichte. Wo bleibt das Happyend? Und was ist mit seinen Bildern?«
    »Nicht alle Geschichten können gut ausgehen.«
    »Warum nicht?«
    »Jetzt ist höchste Zeit zu schlafen, mein Fräulein. Prinzessinnen mit Ringen unter den Augen können wir nicht gebrauchen, oder?«
    »Ich weiß gar nicht, ob ich noch eine Prinzessin sein möchte.«
    »Wir können nicht wählen, wer wir sind, mein Schatz.«
    Er küsste sie sanft auf die Stirn, während sie die Augen schloss und in den Schlaf glitt. Ihr Vater betrachtete sie noch eine Weile, solange er es ertragen konnte, dann machte er die Schlafzimmertür zu und ging nach unten.
    »Wie geht es ihr?«
    Delaney lächelte Wendy traurig zu. »Gut. Sie sieht ihrer Mutter von Tag zu Tag ähnlicher.«
    »Schläft sie?«
    »Wie ein Murmeltier.«
    »Ich bin froh, dass du vorbeigekommen bist. Sonst wäre sie wirklich enttäuscht gewesen.«
    »Es liegt am Job, Wendy. Du weißt, wie das ist.«
    »Ich weiß, wie du bist. Du musst doch nicht alles selbst machen, Jack.«
    »Wir tun alle, was wir können.«
    »Du fehlst ihr.«
    »Bald bekomme ich die Wohnung, und dann kann sie zu mir ziehen und bei mir wohnen. Das weißt du.«
    »Was sie braucht, ist nicht ein Haus. Sie braucht ein Zuhause. «
    »Ich weiß.«
    »Es ist Zeit vorwärtszugehen.«
    »Lass es, Wendy. Bitte … lass es einfach.«
    »Es ist jetzt vier Jahre her.«
    »Das höre ich immer wieder.« Es stimmte, aber das waren nur Zahlen, die für ihn keine Bedeutung hatten.
    »Sie hätte es so gewollt.«
    Delaney schüttelte den Kopf.
    »Du musst das hinter dir lassen, Jack. Um ihretwillen. Um Siobhans willen. Um deinetwillen.«
    Delaney stand auf. »Es ist spät, Wendy. Ich muss nach Hause.«
    »Warum übernachtest du nicht hier?«
    Delaney bemerkte die leichte Röte, die sich über ihre Wange gelegt hatte, als wäre sie gerade sanft geküsst worden, und den feuchten Schimmer in ihren Augen, der nicht nur vom Kummer herrührte.
    »Ich kann nicht.«
    »Siobhan würde sich so freuen, dich morgen früh zu sehen. «
    »Es gibt Dinge, die ich erledigen muss.«
    »Du bist jederzeit willkommen, das weißt du doch?« Er schaute ihr in die Augen, doch sie hielt seinem Blick nicht stand.
    »Das bedeutet mir viel, Wendy.«
    Sie blickte auf und lächelte, dann war der Moment vorbei, und sie sah ihn kopfschüttelnd an. »Du siehst fürchterlich aus, Jack. Du brauchst Schlaf. Und vernünftiges Essen. Pass auf dich auf, Herrgott noch mal.«
    Delaney lachte wieder. Die Blasphemie passte auf ihre Lippen wie ein Rotkehlchen auf ein Standbild des Papstes.
    »Du bist einfach ein guter Mensch, Wendy.«
    »Nicht immer.«
    Und Delaney umarmte sie. So wie ein Mann die Schwester seiner Frau umarmt.
     

6
     
    Dienstagmorgen. Die Sonne stand noch tief, aber es war schon heiß. Heiß genug, um die Luft zum Flimmern und die Gemüter zum Kochen zu bringen.
    Die Waterhill-Siedlung war weniger eine Eiterbeule als vielmehr eine offene Wunde im architektonischen Gesicht Nordlondons. Ein Paradebeispiel städtischen Niedergangs. Ein Nährboden für Angst, Erniedrigung und Gewalt. Wo Hoffnung ein Wort ohne jede Bedeutung und Mord so vertraut war wie der Regen, die Graffiti und die ausgebrannten Autowracks, die überall in der Siedlung verstreut standen wie Statuen auf einem herrschaftlichen Anwesen. Eine attraktive

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