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Hitzetod

Hitzetod

Titel: Hitzetod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Pearson
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schon mal gesehen?«
    Kates Augen verrieten nichts. »Menschen sind zu absolut allem fähig. Zumindest das sollten Sie inzwischen gelernt haben, Detective Inspector.«
     

5
     
    Wenn für das Haus eines Engländers galt, My Home is my castle , was galt dann für das eines Iren? Ein Schloss war Delaneys jedenfalls nicht, so viel war sicher. Eine heruntergekommene Atelierwohnung in Tufnell Park. Kleine Küche und kleines Wohnzimmer mit einem Schlafzimmer auf einer Seite. Die Wohnung war seit zwanzig Jahren nicht mehr gestrichen worden. Ein braunes Sofa, ein altmodisches Büfett, ein staubiger Teppich mit verblassten roten und grünen Spiralmustern darauf. In der Ecke ein Fernseher und ein DVD-Player. Ein Regal mit ein paar alten, zerlesenen Taschenbüchern. Er schloss die Tür hinter sich und überlegte, was die Wohnung, in der er lebte, von der unterschied, in der Jackie gestorben war. Nicht besonders viel. Natürlich hatte Jackie Malone irgendwo noch ein anderes Haus; sie hatte noch ein ganzes anderes Leben. Sie kam aus ihrer Zweizimmer-Arbeitswohnung nach Hause in ein Leben. Oder besser: war gekommen. Delaney blickte sich in seinem Zuhause um und beneidete sie fast um ihre kalte Schublade im Leichenschauhaus. Dann bemerkte er das blinkende Licht an seinem Anrufbeantworter. Einen Augenblick lang schaute er es an und ging dann zum Büfett hinüber.
    Er drehte ein Glas um, nahm eine Whiskyflasche und goss sich einen Schluck ein. Verzweifelte Maßnahme. Verzweifelte Zeiten. Dann prostete er sich im Geiste zu und kippte den scharfen Schluck hinunter. Und dann noch einen.
    Manche Menschen trinken, um zu vergessen. Andere, um witziger oder selbstbewusster zu werden oder mit Leuten in Kontakt zu kommen. Delaney trank, um die Gedanken abzutöten, die morgens, wenn er wach wurde, wie ein Schmetterlingsschwarm in seinem Gehirn aufflatterten. Jeden Morgen, seit vier Jahren. Seit er den Kopf seiner Frau in seinen nutzlosen Armen gehalten und zugesehen hatte, wie das Licht in ihren Augen erlosch. Wie das Licht in seiner ganzen Welt erlosch.
    Er goss sich noch einen Schluck ein und schielte wieder auf das blinkende Licht an seinem Anrufbeantworter.
    Dann drückte er auf den Knopf und lauschte, während die Maschine zur Stimme der Toten zurückspulte.
    »Delaney, hier ist Jackie Malone. Ich muss dich sprechen. Ruf mich an. Du hast meine Nummer.«
    Klick. Schluck.
    »Delaney, hier wieder Jackie. Ich muss wirklich mit dir sprechen. Ruf mich doch an.«
    Klick.
    »Ich bin’s. Wo bist du, Delaney?«
    Delaney nahm noch einen Schluck, während er der Verzweiflung in ihrer Stimme lauschte. Eine Frage, von der er nicht sicher war, dass er sie hätte beantworten können. Was hast du getan, Jackie? Was hast du dir antun lassen?
    Klick.
    Delaney beugte sich schon vor, um das Gerät auszuschalten, als eine andere Stimme sprach, worauf er die Hand zurückzog. Die Stimme eines siebenjährigen Mädchens mit einem Hauch von Irisch darin, vertraut genug, um ihm von neuem das Herz zu brechen.
    »Daddy, hier ist Siobhan. Wann kommst du mal wieder vorbei? Wir vermissen dich. Tschüss.«
    Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und seufzte, während das Gerät wieder klickte. »Hier ist noch mal Jackie, Cowboy. Erzähl mir nicht, dass du dich auf einmal vor mir genierst? Wir müssen miteinander reden. Das geht dich an. Ich bin den ganzen Tag hier. Ruf mich an oder komm vorbei. Du weißt wo.«
    Klick. Klick. Klick.
    Das Gerät gab noch ein Klirren von sich und verstummte. Es war inzwischen ein altes Schätzchen, und er wusste, dass er es längst hätte austauschen sollen, aber die Stimme seiner Frau war darauf, und Delaney rief sich selbst jeden Tag an, um sie zu hören. Er drückte auf den Ansageknopf, worauf die Stimme einer anderen Toten den Raum erfüllte, sein Leben wieder erfüllte; nur das Loch mitten in seinem Inneren, das würde sie nie wieder füllen.
    »Hier ist Sinead. Jack und ich sind gerade nicht zu Hause. Das hier ist ein Anrufbeantworter, und Sie wissen mittlerweile, was Sie tun müssen, wenn Sie den Piepton hören. Also los, tun Sie’s.«
    Delaney lehnte sich auf dem Sofa zurück und schüttelte leicht den Kopf. Sie irrte sich. Er hatte absolut keine Ahnung, was er tun sollte. Er drehte die Flasche um und goss sich das Glas halbvoll. Manche Erinnerungen wollte er bewahren, egal wie viel Whisky er trank, und manche wollte er zerstören. Diese Bilder versuchte er mithilfe des Alkohols auszulöschen, doch der trug nur dazu bei, seine

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