Hitzetod
kommen, um Blumen auf sein Grab zu legen.«
Ungefähr zwei Monate nach seinem Verschwinden hatte man Bill Hoskins’ Leiche in einem stillgelegten Brunnen auf einer heruntergewirtschafteten Farm bei Henley gefunden. Nach einem Streit über einen Fernsehfilm, den es nicht hatte anschauen dürfen, war ein kleines Kind vermisst worden, und man hatte jeden Winkel in der Gegend nach ihm abgesucht. Das vermisste Kind tauchte wohlbehalten wieder auf, nachdem es sich im Garten einer Freundin in einem Spielhaus versteckt hatte.
Bill Hoskins dagegen wurde in weit schlimmerem Zustand aufgefunden. Zwei Monate der sommerlichen Hitze ausgesetzt zu sein, hatte seinem ohnehin schon unterversorgten Körper nicht besonders gutgetan. Die Autopsie ergab, dass man auf ihn geschossen hatte, mitten ins Herz.
Kate richtete sich wieder auf und sah Delaney an. »Warum hast du keinen meiner Anrufe beantwortet, Jack?«
»Ich hielt es für das Beste.«
»Das Beste für dich?«
»Nein, Kate, für dich. Als ich dich erschossen da liegen sah …«
»Ich hatte deine kugelsichere Weste an, Jack. Du wolltest, dass ich sie anziehe. Hätte ich das nicht getan, wäre ich jetzt tot.«
»Ich weiß. Und es tut mir leid, aber da ist mir etwas klargeworden. Ich bringe nur Probleme, Kate. Du brauchst mich nicht in deinem Leben.«
»Ich habe gehört, dass du deine Kündigung eingereicht hast. Du ziehst um, stimmt das?«
»Ja.«
»Wohin?«
Wieder zuckte Delaney die Schultern. »Weg aus dieser Stadt.« Die Worte hatten einen bitteren Beigeschmack.
»Und ich habe nichts mehr dazu zu sagen?«
»Es tut mir leid.«
Den Tränen nahe, sah Kate ihn zornig an. Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf das offene Grab. »Warum steigst du nicht gleich zu ihm da rein und fertig?«
Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und ging davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Während Delaney ihr nachschaute, bildete sich in seinem Magen ein schmerzender Knoten. Er wollte ihr hinterherrufen, sie bitten zurückzukommen, brachte es aber nicht über sich. Für jede Frau, mit der er in den letzten paar Jahren geschlafen hatte, war er eine Belastung gewesen. Seine Frau, Jackie Malone, Wendy, die jetzt auf der Intensivstation lag. Er wollte, dass Kate zurückkam, aber er wusste, was den Knoten in seinem Magen verursachte: Angst. Und dieses Wissen machte es ihm nicht leichter.
Er wartete, bis Kate außer Sichtweite war, bevor er ungefähr dreißig Meter in die entgegengesetzte Richtung ging und neben einem anderen Grabstein niederkniete.
Aus der Innentasche seines Mantels nahm er eine einzelne rote Rose und legte sie auf das Grab seiner Frau. »Es tut mir leid.« Seine Stimme ein schmerzerfülltes Flüstern. Dann stand er rasch auf und verließ den Friedhof.
Draußen stand, an ihr Auto gelehnt, Diane Campbell, zwischen den karminroten Lippen eine Markenzigarette, deren träge blaue Rauchwolke mit dem kühlen Lüftchen auf ihn zugeweht kam. Falls er überrascht war, seine Chefin hier zu sehen, ließ er es sich nicht anmerken. Campbell zertrat die Zigarette mit dem Absatz, und nachdem sie sich eine neue genommen und in den Mund gesteckt hatte, hielt sie Delaney die Schachtel hin. Der bediente sich und beugte sich vor, sodass Campbell ihm Feuer geben konnte, bevor sie sich ihre eigene Zigarette ansteckte.
»Ich habe gehört, dass Sie hier sein würden.«
»Sind Sie gekommen, um mir Glück zu wünschen?«
»Ich bin gekommen, um Sie zu bitten, Ihre Kündigung zurückzunehmen. «
»Auf keinen Fall.«
»Sie sind ein guter Kriminalbeamter, Delaney. Das wissen Sie.«
»Ja, das weiß ich.«
»Wir brauchen Sie im Team. Ich brauche Sie im Team.« Delaney schüttelte den Kopf. »Meine Entscheidung ist gefallen. «
»Ich habe gesagt, dass es mir leid tut.«
»Das ändert nichts. Es hat gar nichts damit zu tun.«
»Da sind Sie ganz sicher?«
»So sicher war ich mir noch nie.«
Campbell nahm einen tiefen Zug an ihrer Zigarette, dann sah sie Delaney wohlwollend an. »Ich muss Ihnen etwas sagen. «
Delaney bemerkte ihren Blick. »Was ist es denn, Diane?«
»Der Tankstellenüberfall. Die Kerle, die Ihre Frau erschossen haben …«
Delaney spürte, wie zusammen mit dem Brausen des Windes das Blut in seinen Ohren pochte, als er ihren Arm so fest packte, dass sie zusammenzuckte. »Ja?«
»Wir haben eine Spur, Jack.«
Dank
Der alte Seemann, heißt es, konnte mit seinem funkelnden Auge Menschen in einem Raum festhalten, und ausnahmslos alle lauschten sie wie gebannt
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