Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
ich’s anders.« Merle Olsen lächelte auch. »Ich hatte Kira natürlich von diesem Streit erzählt, Sie wissen schon, so wie man sich eben aufregt, wenn man Feierabend hat und den Tag Revue passieren lässt. Und ein paar Tage später kam Kira bei mir in der Praxis vorbei, um mich zum Mittagessen abzuholen, und das Erste, was sie mich fragte, als sie zur Tür reinkam, war, ob diese Pflegerin sich bei mir entschuldigt hätte.« Ihre Finger spielten gedankenverloren mit der Broschüre, die noch immer vor ihr auf dem Tisch lag.
»Ich hatte erst gar keine Ahnung, wovon sie spricht. Aber dann sagte sie, dass ein Auto vom Zoo vor der Tür stünde.«
Winnie fing an zu begreifen. »Und weil Ihre Freundin dieses Auto gesehen hatte, glaubte sie, es sei diese Tierpflegerin?«
»Genau.« Sie nickte wieder ihr energisches Nicken. »Die Straße, in der meine Praxis liegt, hat so gut wie keinen Durchgangsverkehr, wissen Sie? Wer dort parkt, ist ein Anwohner oder ein Patient beziehungsweise ein Besucher.«
»Aber es ist niemand vom Zoo bei Ihnen gewesen?«
»Nein.« Die Tierärztin schüttelte den Kopf. »Weder an dem bewussten Mittag noch sonst irgendwann.«
»Und trotzdem stand ein Auto vom Zoo vor Ihrer Praxis?«
»Ja, was das anging, muss Kira ganz sicher gewesen sein. Ich meine …« Sie zögerte. »Ich glaube kaum, dass einer von uns beiden sonst überhaupt noch mal an diese Sache gedacht hätte. Den Streit, meine ich.«
»Woher wusste Ihre Freundin, dass der Wagen zum Zoo gehörte? «, fragte Winnie Heller interessiert.
»Keine Ahnung. Ich glaube, er hatte irgendeine Aufschrift.«
»Sie glauben?«
»Wir haben nicht explizit darüber gesprochen. Irgendwann später sah Kira dann noch mal aus dem Fenster und sagte: Seltsam, aber er steht immer noch da. Das war’s dann allerdings auch. Immerhin war es … Ich meine, es war doch nicht wichtig, verstehen Sie?«
»Sicher«, nickte Winnie. »Trotzdem würde ich gern noch einmal selbst mit Ihrer Freundin sprechen und sie danach fragen. «
»Klar, tun Sie das. Ich kann Ihnen gern ihre Nummer geben, wenn Sie möchten.«
Winnie Heller nickte. »Das wäre toll.«
Merle Olsen stand auf und nahm einen Zettel vom Schreibtisch. Dabei warf sie einen Blick auf die Uhr, die über dem Sofa hing. Ein hübsches Stück, sicher uralt, mit kupfernen
Zahlen. »Ich habe Ihnen hier Kiras Dienst- und zusätzlich auch ihre Handynummer aufgeschrieben«, erklärte sie, als sie zu ihrer Besucherin zurückkehrte. »Aber leider kann ich Ihnen nicht versprechen, dass Sie sie erreichen. Wenn sie Dienst hat, lässt sie ihr Handy meistens ausgeschaltet.«
»Ich versuch’s einfach so lange, bis ich sie erwische«, entgegnete Winnie und steckte den Zettel ein.
Dann machte sie sich auf den Weg nach Frankfurt. Auf der Fahrt rief Bredeney an und teilte ihr mit, dass man Jo Ternes’ Handy gefunden hatte.
»Es war ausgeschaltet und lag in einem Müllcontainer, ganz in der Nähe ihrer Wohnung«, schloss der Veteran des KK 11.
»Scheiße«, fluchte Winnie Heller wenig damenhaft.
»Das muss noch nicht bedeuten, dass ihr was zugestoßen ist«, sagte Bredeney.
»Klar«, fuhr sie ihn an. »Ihr hat das Design nicht mehr zugesagt, und da hat sie das Ding weggeschmissen, um sich gleich heute früh ein neues zu kaufen.« Sie fuhr sich mit der freien Hand durch die Haare. »Verdammt, ich hätte diese blöde Kuh festnageln sollen. Gleich auf dem Friedhof.«
»Hör auf, dir Vorwürfe zu machen«, schepperte Bredeneys Stimme aus dem Lautsprecher der Freisprecheinrichtung. »Eine Frau wie die Ternes tut grundsätzlich das, was sie will. Und zwar nur das.«
Winnie lächelte matt. »Netter Versuch.«
»Es ist die Wahrheit, und das weißt du«, versetzte Bredeney ohne hörbare Regung. Dann legte er einfach auf.
Winnie erreichte den Zoo eine Viertelstunde vor der vereinbarten Zeit. Während sie auf ihren Vorgesetzten wartete, versuchte sie, Kira Schönenberg zu erreichen, doch das Handy klingelte ziellos ins Leere. Winnie überlegte, der Ärztin eine SMS mit der Bitte um Rückruf zu schreiben, verwarf den Gedanken aber zunächst wieder. Trotzdem ließ das, was Merle Olsen erzählt hatte, sie nicht los.
Ein Auto vom Zoo …
Eine Frauenstimme …
Ein Vergewaltiger, der sich im Vorfeld seiner Taten intensiv mit den zukünftigen Opfern beschäftigte. Der ihre Gewohnheiten studierte. Das Umfeld erkundete. Wer wann wo anzutreffen war, allein oder auch nicht.
Das Klingeln ihres Handys riss sie aus ihren
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