Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
Verschwinden der Frau zusammenhängen könnte«, erwiderte Winnie.
»Ich verschaffe mir gerade einen ersten Überblick über die Dateien auf ihrem Laptop«, meldete sich ein Kollege des Angesprochenen zu Wort, der sich in die Ecke vor dem Balkon zurückgezogen hatte. »Und das hier könnte vielleicht was sein.«
Verhoeven und seine Kollegin traten zu ihm, und das Erste, was sie sahen, war eine Todesanzeige. Infolge eines schrecklichen Unglücksfalls verstarb am 19. Mai 1987 meine über alles geliebte Ehefrau Anna Portner, geb. Laux, im Alter von nur 26 Jahren. Anstelle eventuell zugedachter Blumengrüße bitte ich um eine Spende für die Kinderkrebsstation der Mainzer Uniklinik, Kontonummer …
Unterschrieben war die Anzeige schlicht mit »In tiefer Trauer, Jan Portner«.
»Das ist ein Teil des Materials, das Jo Ternes für ihren Artikel über Portner verwendet hat«, erklärte der Beamte, während Verhoeven und seine Partnerin lasen. »Leider scheint sie ein sehr eigenes System gehabt zu haben, was die Ablage betrifft. «
»Und das heißt?«, fragte Verhoeven.
»Dass wir uns alles mühsam zusammensuchen müssen«, entgegnete der Beamte achselzuckend.
»Ist das Portners erste Frau?«, fragte Winnie Heller mit Blick auf die Todesanzeige, obwohl ihr der Name der Verstorbenen bereits in einem von Bredeneys Berichten untergekommen war.
Der Kollege am Laptop nickte. »Und sehen Sie mal hier.«
Die Todesanzeige wich einem Foto. Es zeigte eine schöne junge Frau mit braunen Augen und filigranen Gesichtszügen.
»Anna Laux?«, fragte Winnie.
Ihr Gesprächspartner bejahte. »Wenn ich die Notizen richtig deute, hat Jo Anfang der Woche Kontakt zu Anna Laux’ Vater aufgenommen. Sie scheint ziemlich akribisch zu sein, was das angeht.« Seine Finger tippten ein paar Befehle, und gleich darauf erschien auf dem Bildschirm eine Art Gesprächsnotiz, die die Reporterin angefertigt hatte. Das Blatt war stichpunktartig aufgebaut und umfasste Bemerkungen wie: »L. hatte keinerlei Kontakt mehr zu A. seit deren Heirat mit P.« Oder auch: »Freundin von A. sagt, P. habe A. psych. misshandelt.«
»Das passt zu dem, was Bredeney und Werneuchen herausgefunden haben«, murmelte Verhoeven, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden.
Winnie Heller nickte. »Aber was sollte es mit Jos Verschwinden zu tun haben?«
»Vielleicht gar nichts«, antwortete ihr Vorgesetzter gedankenverloren. »Vielleicht aber auch sehr viel.«
Na toll!, dachte Winnie. Was für eine hilfreiche Antwort!
»Wir brauchen so schnell wie möglich Zugriff auf alle Dateien, die in Verbindung mit Jos Artikel stehen könnten«, sagte sie zu dem Kollegen am Laptop.
»Natürlich«, entgegnete dieser knapp. Dann wandte er sich wieder seiner Arbeit zu.
»Und wir?«, fragte Winnie.
»Sehen uns um«, antwortete Verhoeven. »Und wenn wir Glück haben, schneit Jo Ternes irgendwann einfach zur Tür rein und beschwert sich ganz fürchterlich über dieses unser Eindringen in ihre Privatsphäre.«
»Schön wär’s«, sagte Winnie, obwohl sie an diese Möglichkeit ebenso wenig glaubte wie ihr Vorgesetzter.
2
»Der Zoo?« »
Ja, genau.« Winnie Heller nippte an der Cola, die Merle Olsen ihr hingestellt hatte.
Sie hatten Jos Apartment durchsucht, ein Team dort gelassen und sich für Business as usual entschieden, nachdem die Nacht ihnen keine weiteren Ergebnisse gebracht hatte. Winnie war nach Hause gefahren, hatte geduscht und ihre verschwitzten Kleider gegen ein paar frische getauscht, und nach einem kargen Frühstück hatte sie den Entschluss gefasst, bei Merle Olsen vorbeizufahren, bevor Verhoeven und sie sich in einer knappen Stunde im Frankfurter Zoo treffen würden. Wenn sie ehrlich war, beruhte diese Entscheidung vor allem auf dem Mitleid, das sie der Tierärztin gegenüber empfand. Der Blick, den Merle Olsen ihr zugeworfen hatte, gestern auf dem Friedhof, hatte sie tief getroffen, weil sie das, was dahintersteckte, nur allzu gut nachvollziehen konnte. Merle Olsens Enttäuschung darüber, dass man sie nicht in die aktuellen
Geschehnisse einbezog. Dass sie nichts anderes tun konnte, als darauf zu vertrauen, dass die Polizei den Mann, der ihr Gewalt angetan hatte, schnappte. Dass Leute wie Winnie Heller ihre Arbeit taten …
Tja, dachte Winnie, wir tun unser Bestes. Aber spätestens seit Jo Ternes’ Verschwinden war sich nicht mehr sicher, ob das genug war.
Durch die geöffnete Terrassentür wehte zum ersten Mal
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