Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
Bekannte und so weiter.«
Irina Portner bedachte sie mit einem eigentümlichen Blick. »Ich habe keine Freunde.«
»Wenn Sie schwimmen gehen, gehen Sie allein?«
»Ja.«
Aus irgendeinem Grund glaubte Winnie Heller ihr das aufs Wort. Sie dachte wieder an die Villa des Ehepaars. An die luxuriöse Kälte, die das Gebäude ausstrahlte. An die Skulptur im Schlafzimmer. Und an den monströsen Spiegel über dem Bett.
Außerdem besitzt Jan ein paar sehr wertvolle Gemälde …
In ihrem Rücken ging eine Tür auf. Sie drehte sich um und sah eine Krankenschwester mit einem Medikamentenbrett in der Hand.
»Tut mir leid«, sagte die Frau, augenscheinlich überrascht über Winnies Anwesenheit. »Ich dachte, Sie wären …«
»Kein Problem«, entgegnete sie. »Ich wollte sowieso gerade gehen.« Sie griff nach ihrer Handtasche, zog eine ihrer Visitenkarten heraus und schrieb zusätzlich ihre private Handynummer auf die Rückseite. »Versuchen Sie, sich ein wenig auszuruhen, okay?«, sagte sie, indem sie die Karte kommentarlos neben Irina Portner auf den Nachttisch legte.
Die junge Russin nickte stumpf.
»Ich komme ein andermal wieder.«
Winnie Heller schenkte der Krankenschwester ein kurzes, professionelles Nicken.
Dann zog sie eilig die Tür hinter sich zu.
3
»Sechs Opfer bislang«, resümierte Jürgen Wieczorek am frühen Vormittag in einem kargen Besprechungsraum des Präsidiums. »Noch dazu sechs Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.«
Winnie Heller griff nach einem der Bilder, die vor ihr auf dem ausladenden Konferenztisch lagen. Es zeigte eine schwarzhaarige Frau um die fünfzig mit sorgfältig geschminktem Gesicht. Sie sah aus wie eine dunkelhaarige Vanessa Redgrave.
»Das ist Sarah Endecke«, erklärte Wieczorek, der zufällig zu ihr herübersah. »Sie ist fünfzig, Single und besitzt eine Boutique für exklusive Damenmode in der Innenstadt. Ihre Maisonettewohnung liegt in einer ruhigen Seitenstraße zur Adolfsallee. Erste und zweite Etage mit Blick in einen hübsch begrünten Innenhof. Wegen der Hitze hatte sie die Balkontür offen gelassen, sodass unser Mann leichtes Spiel hatte.« Er nahm ein anderes Foto zur Hand, ohne es wirklich anzusehen. Wahrscheinlich kannte er die Gesichter der Opfer inzwischen besser als die seiner Familie. »Das zweite Opfer war Tatiana Schwarz, auf den Tag genau eine Woche später. Vollkommen anderer familiärer Hintergrund, vollkommen andere Gegend, vollkommen anderer Typ. Frau Schwarz bewohnt ein Reihenhaus in Dotzheim, solide, aber unspektakulär. « Er hielt inne und wühlte in seinen Notizen. »Sie ist siebenundvierzig Jahre alt und bereits Witwe. Ihr Mann hatte massive Alkoholprobleme, führte aber bis zu seinem Tod vor vier Jahren dennoch ein vergleichsweise geregeltes und sozial integriertes Leben, was er in erster Linie seiner Frau zu verdanken hatte, die für zwei schuftete und ihm beruflich wie privat immer wieder Rückendeckung gab. Er starb an einem zu spät erkannten Magendurchbruch, eine Folge des jahrelangen Alkoholmissbrauchs. Bis zu seinem Tod betrieben die Eheleute ein gut gehendes Restaurant in der Nähe des Hauptbahnhofs. «
Verhoeven hob interessiert den Blick. »Also waren die Schwarzens auch Gastronomen?«
»Ich weiß, was Sie denken«, lächelte Wieczorek. »Aber zum einen hat Tatiana Schwarz den Betrieb unmittelbar nach dem Tod ihres Mannes verkauft. Und dann war das ein gänzlich anderes Kaliber als der Nobelschuppen, mit dem Jan Portner sein Vermögen verdient hat. Eher Spießbraten und Jägerschnitzel, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Trotzdem ist es eine mögliche Parallele«, beharrte Verhoeven.
»Sicher.« Der Beamte des K 12 nickte zwar, doch er sah nicht überzeugt aus. »Sie werden ja ohnehin selbst mit Frau Schwarz sprechen. Dann können Sie sie danach fragen.«
Verhoeven streckte die Beine unter den Tisch. Auf dem Tisch vor ihm lag sein Handy, und anders als bei früheren Besprechungen dieser Art war es nicht ausgeschaltet. Aus dem abgedunkelten Display stach weiß die Digitalanzeige der Uhrzeit heraus.
»Kurz nach dem Verkauf des Restaurants erkrankte Frau Schwarz an Brustkrebs«, fuhr Wieczorek an der Stirnseite des Tisches fort, und Winnie Heller dachte einmal mehr über die Frage nach, warum manchen Menschen das Pech an den Hacken klebte, während andere sich allenfalls mit Bagatellen herumschlagen mussten. »Das war …« Wieczorek sah nach. »Vor knapp drei Jahren. Nach erfolgreichem Abschluss
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