Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
schluckte. »Darauf, dass kein anderer einfach hereinspaziert und an seine Sachen geht.«
Aber genau das hat jemand getan, dachte Winnie Heller. Irgendwer
ist heute Nacht in Jan Portners Revier eingedrungen und hat seine Frau vergewaltigt. Und dann hat dieser Jemand Jan Portner erschossen. Sie stutzte, als ihr ein Satz aus einem alten Märchen in den Sinn kam: Wer hat in meinem Bettchen geschlafen? Wer hat von meinem Tellerchen gegessen?
»Außerdem besitzt Jan auch einige sehr wertvolle Gemälde«, riss Irina Portners Stimme sie aus ihren Gedanken. »Ein paar davon bewahrt er im Safe auf. Die anderen hängen im Wohnzimmer.«
Jan besitzt , resümierte Winnie Heller im Stillen. Nicht: Wir besitzen …
»Und Sie?«
Die junge Witwe hob verwirrt den Kopf: »Was meinen Sie?«
»Haben Sie irgendwem erzählt, wie die Alarmanlage Ihres Hauses funktioniert?«
Ein flüchtiger Schatten huschte über das Gesicht der jungen Russin. »Natürlich nicht.«
Winnie Heller nickte. Zu schnell. Zu hektisch. Und angesichts der Umstände viel zu entschieden!
Als Irina Portner weitersprach, klang sie beinahe empört. »Warum sollte ich über so was sprechen?«
Das ist eine verdammt gute Frage, dachte Winnie Heller. Doch sie beschloss, darauf nicht einzugehen. Nicht in dieser Situation. Und nicht zu diesem frühen Zeitpunkt. Im Grunde hatte sie schon Glück, dass sich Irina Portner so kurz nach einer solchen Tat als ansprechbar erwies. »Wir haben Grund zu der Annahme, dass der Artist seine Opfer vor den Taten ausspioniert, um sich ein Bild über die Lebensumstände der Frauen zu machen«, erklärte sie. »Hatten Sie in der letzten Zeit mal das Gefühl, beobachtet zu werden?«
Wie schon bei vorangegangenen Fragen dachte Irina Portner zunächst eine ganze Weile nach. Dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, mir ist nichts aufgefallen.«
»Sind Sie sicher?«
Sie blickte auf ihre Fingernägel hinunter. »Ja.«
Für Letzteres hätte Winnie Heller keine Hand ins Feuer gelegt. Aber sie sah davon ab, ihre Zeugin unter Druck zu setzen. Zumindest im Augenblick. »Hat Ihr Mann Sie gut behandelt? «, fragte sie stattdessen, weil ihr die Frage angesichts Irina Portners Formulierungen irgendwie wichtig schien.
»Jan?« Die junge Russin sah hoch. Es klang, als spräche sie über einen Fremden. Doch dann begann sie zu Winnies Überraschung auf einmal zu zittern. Leise nur, aber doch deutlich sichtbar. »Jan ist tot.«
Das ist keine Antwort auf meine Frage, dachte Winnie. »Sie waren bereits seine zweite Ehefrau, nicht wahr?«, versuchte sie es anders.
Kopfschütteln. »Die dritte.«
»Wissen Sie etwas über Ihre …« Winnie zögerte. Das Wort, das ihr auf der Zunge lag, kam ihr irgendwie unverschämt vor, aber ihr fiel auch kein besseres ein. Also sagte sie schließlich doch: »… über Ihre Vorgängerinnen?«
»Ich glaube, die erste ist gar nicht mehr am Leben«, entgegnete Irina Portner zögerlich. »Und die andere wohnt in Hamburg oder so. Aber ich bin nicht sicher.«
»Folglich hat Ihr Mann nicht viel über seine Vergangenheit gesprochen?«
»Kaum.«
»Okay.« Winnie Heller holte tief Luft. »Was ist mit dem Restaurant? «
Die junge Witwe sah überrascht aus. »Was soll damit sein?«
»Wissen Sie, ob es da in der letzten Zeit mal Schwierigkeiten gegeben hat?«
Irina Portner zuckte entschuldigend die Achseln. »Jan hat mir nur wenig über seine Arbeit erzählt.«
Vielleicht, weil er dich nicht ganz für voll genommen hat, spekulierte Winnie Heller garstig. Laut sagte sie: »Wer könnte mehr darüber wissen?«
»Wirklich, ich habe keine Ahnung.« Irina Portner wirkte immer verstörter. Aber das war angesichts der vergangenen Stunden wohl kein Wunder. »Sein Küchenchef vielleicht. Pierre Duquesne. Aber …« Ihre Pupillen weiteten sich, als sie wieder hochsah. Ins Licht. »Warum fragen Sie mich das alles? Ist das … Ich meine, hat das denn irgendwas mit dem zu tun, was mir … Was ich …« Sie presste sich eine Hand vor den Mund, und Winnie Heller hatte den Eindruck, dass sie weinte, auch wenn die großen Augen vollkommen trocken blieben.
»Wir müssen uns ein Bild machen«, sagte sie sanft.
Die junge Russin nickte ohne Überzeugung.
»Wann kam Ihr Mann eigentlich üblicherweise nach Hause? «, beeilte Winnie sich, die nächste Frage zu stellen, bevor ihre Zeugin allzu sehr ins Nachdenken geriet.
»Spät.«
»Was heißt das?«
»Gegen eins, halb zwei.«
»Und warum kam er heute Abend früher?«,
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