Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
Nacken.
Donnerwetter! Gute Instinkte!
Eilig trat er einen Schritt zur Seite. Gleich würde sie sich zu ihm umdrehen, kein Zweifel. Doch irgendetwas lenkte sie ab.
Sie drehte den Kopf nach rechts, Richtung Zisterne. Ihr Profil war ebenmäßig, ohne auch nur die Spur langweilig zu sein.
»Was ist denn da?«, rief sie. »Warum kommst du nicht weiter? «
Die Antwort (augenscheinlich bekam sie eine, denn sie nickte) ging unter im Lärmen der Schulklasse, die in diesem Augenblick aus dem Obergeschoss zurückkehrte. Damian fühlte einen Anflug von Ärger in sich aufsteigen.
Plötzlich eine zaghafte Stimme von hinten. »’tschuldigung.«
Kristin Dobler, Praktikantin. Immer freundlich, immer bemüht,
dabei aber leider dumm wie Brot. Sie hielt einen Eimer mit toten Ratten in der Hand.
»Wo sollen die hin?«
»Nachttierhaus«, entgegnete Damian, ein bisschen zu schroff vielleicht. »Und deck was drüber, okay?«
Bodentiefe Verständnislosigkeit.
Er zeigte auf die Kinder, die in Scharen an ihnen vorbeidrängten. »Ist nicht gerade repräsentativ, so ’n Eimer voller Leichen.«
»Ach so, na klar.« Kristin kicherte verlegen. Von allein wäre diese blöde Kuh niemals auf eine solche Idee gekommen. Aber jetzt, da sie einmal mit der Nase daraufgestoßen worden war, brachte die Sache sie in ernste Bedrängnis. Natürlich hatte sie nichts zum Abdecken dabei. Und alles, was ihr einfiel, war, unschlüssig stehen zu bleiben. Kaninchen sieht Kobra im Blick.
»Da drin ist ein Lappen«, kam Damian ihr zu Hilfe, nicht, weil er ihr tatsächlich helfen wollte, sondern um sie endlich loszuwerden.
Sie lächelte ihm dankbar zu und trug die toten Ratten auf Brusthöhe vor sich her, als sie weiterging.
Hinter ihr kam die Frau, die zuvor bei Nummer vier gestanden hatte, die Treppe hinauf, und irgendetwas an ihren Bewegungen kam ihm unrund vor. Erst auf den zweiten Blick registrierte er die Wölbung unter ihrem T-Shirt.
Schwanger, sieh an!
Der Junge ging einen Schritt hinter ihr und war mit einer Tüte Gummibärchen zugange. So eine Miniaturausgabe des Originals, wie man sie beim Kinderarzt bekam. Als Trost für den Pikser bei der Blutabnahme. Neben ihm ging ein Mädchen, eine dunklere Ausgabe der Frau mit wachen Augen und einem Kopf voller unbändiger Locken.
Der Blick ihrer Mutter streifte Damians Gesicht, dann sein Hemd. Den Namen, der an der linken Brusttasche eingestickt
war. Dann lächelte sie ihm zu, nicht, weil er ihr sympathisch war, sondern weil sie ihn abhaken konnte. Sie gehörte zu der Sorte, die beständig mit ihrem Intellekt und ihrer Sensibilität zu kämpfen hat. Ein hochemotionales Seelenleben und dazu ein kühler, analytischer Verstand – eine gefährliche und überaus anstrengende Kombination! Für sie war die Welt ein Übermaß an Eindrücken, und deshalb neigte sie dazu, schnelle Einordnungen vorzunehmen. Menschen wie sie machten eine Beobachtung und entschieden dann innerhalb von Sekundenbruchteilen über deren Stellenwert. Wichtig – unwichtig, gefährlich – harmlos, interessant – langweilig. Das mussten sie, um klarzukommen, und erstaunlicherweise lagen sie dabei oft gar nicht so schlecht mit ihren Einschätzungen. Trotzdem bezwang man diesen Typ Frau am ehesten dadurch, dass man sich als so leicht einzuordnen erwies, wie sie es sich wünschte.
Sie erwartet einen Klempner?
Okay, dann zieh dir einen Overall mit einem Firmenlogo an und sorg dafür, dass du etwas in der Hand hast, das wie ein Werkzeug aussieht!
Die Frau hatte unterdessen den Kopf gedreht, um nach ihren Kindern zu sehen. Sein Gesicht lag bei ihr ab sofort nicht mehr in der Schublade mit der Aufschrift »MANN«, sondern im Kästchen für »TIERPFLEGER – Querstrich – ZOOAN-GESTELLTER«.
Gut so!
Gefährlich wurden Menschen wie sie immer dann, wenn sie keine Schublade fanden, in die sie einen stecken konnten. Denn dann fingen sie an, über einen nachzudenken. Und das war bei einem solchen Maß an Intellekt nicht ungefährlich. Frauen wie die dort waren meistens ausgezeichnete Beobachter, allerdings nutzten sie ihre Fähigkeiten auf diesem Gebiet nur selten. Wahrscheinlich war sie jemand, der im täglichen Leben eine Menge Verantwortung trug. Nach alleinerziehend
sah sie definitiv nicht aus, also war ihr Mann entweder einer, der sich mit Entscheidungen schwertat, oder einer, der beruflich sehr angespannt war. So sehr, dass er alles Häusliche liebend gern ihr überließ.
Ja,
Weitere Kostenlose Bücher