Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
dachte er, das würde passen.
Ein kurzes Stutzen weiter links riss seine Augen von dem schwangeren Bauch der Fremden los.
Das Mädchen.
Ihre Tochter …
Sie hielt seinem Blick lange stand, bemerkenswert lange für ein Kind ihres Alters. Damian sah die Skepsis in ihren Augen und lächelte ihr zu. Doch sie lächelte nicht zurück, sondern schaute nach einer weiteren erstaunlich langen Bedenkzeit einfach nur weg.
»Kommst du?«, fragte die Frau ein paar Stufen über ihr.
Die Kleine nickte und rannte hinter dem Jungen mit den Gummibärchen her, freilich ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen.
Damian blieb stehen, wo er gerade stand, und sah den dreien nach, bis sie um die Ecke verschwunden waren.
9
Edyta Barys Sohn arbeitete als Polier bei einer Baufirma in Bremerhaven. Nach dem Überfall auf seine Mutter hatte er sich ein paar Tage freigenommen. Jetzt allerdings könne er nicht länger bleiben, erklärte er Winnie Heller bei einem kurzen Gespräch auf dem Gang vor dem Krankenzimmer. Auf dem Bau sei nun mal Hochsaison und sein Chef mache einfach nicht länger mit.
Er hatte Tränen in den Augen, als sie ging.
Von unterwegs aus rief Winnie Heller Mariska Lehnsdorf, die Freundin der Schwerverletzten, an, erreichte jedoch nur
ein Band. Winnie hinterließ ihre Nummer und fuhr ins Canard. Das Nobelrestaurant, mit dem sich Jan Portner vor fast elf Jahren selbstständig gemacht hatte, wirkte auf den ersten Blick wie ein Museum für moderne Kunst. An den hohen, unverputzten Betonwänden hingen abstrakte Ölbilder, das Speisen- und Getränkeangebot war von Hand auf kleine Schiefertafeln notiert, die in kühn geschwungenen Halterungen auf nackten Granittischplatten steckten.
Verhoeven hatte in der Zwischenzeit erfahren, dass das Canard Portner keineswegs allein gehört hatte, sondern dass es einen Teilhaber gab: Richard Havel, ein selbstständiger Unternehmensberater und Freund Portners aus dessen Angestelltenzeiten, hatte bei der Eröffnung des Restaurants als Bürge fungiert und im Gegenzug dafür fünfundvierzig Prozent der Geschäftsanteile erhalten. Nachdem der Erfolg nicht lange auf sich hatte warten lassen, war Havel von Portner nach und nach ausbezahlt worden, sodass sich sein Anteil am Canard inzwischen nur noch auf fünfzehn Prozent belief. Trotzdem war er nach wie vor stellvertretender Geschäftsführer und als solcher – zumindest bei einem Ausfall Jan Portners – auch entscheidungsbefugt. Und Havel hatte entschieden, dass der Restaurantbetrieb trotz des tragischen Todes seines Kompagnons bereits am Abend fortgesetzt wurde.
In den Gesichtern der Angestellten las Winnie Heller Unglauben, Entsetzen, aber auch Verachtung über die offensichtliche Pietätlosigkeit des zweiten Geschäftsführers. Während ihr Vorgesetzter sich mit dem Küchenchef, Pierre Duquesne, unterhielt, sprach sie im Gastraum mit Cindy Felke, einer jungen Barangestellten, die hinter dem Tresen Dienst getan hatte, als ihr Chef ermordet worden war. Sie trug trotz der drückenden Hitze einen blauen Baumwollschal um den Hals und wirkte vollkommen übernächtigt.
»Wie war Herr Portner gestern Abend?«, fragte Winnie, nachdem sie ein paar belanglose Höflichkeiten ausgetauscht
hatten. »Ist Ihnen irgendetwas Besonderes an ihm aufgefallen? «
»Eigentlich nicht«, antwortete die junge Barfrau nach kurzem Überlegen. »Allerdings habe ich ihn nur kurz gesehen.«
»Haben Sie mit ihm gesprochen?«
» Guten Abend und Wie geht’s , glaube ich.«
Winnie Heller nickte. »Ihr Chef blieb abends üblicherweise länger als elf, halb zwölf, nicht wahr?«
Cindy Felke bejahte. »Die Bar schließt um zwei, freitags und samstags um drei. Und Herr Portner blieb meistens bis kurz vor Toresschluss.«
»Gestern nicht …«
»Stimmt …« Sie hob die Hand und rieb sich die Augenwinkel, in denen sich Reste von Lidschatten gesammelt hatten. »Gestern nicht.«
»Können Sie sich einen Grund dafür vorstellen?«
»Na ja … Ich dachte eigentlich, dass es mit diesem Anruf zusammenhing.«
Winnie Heller horchte auf. »Mit welchem Anruf?«
»Seine Frau.« Die junge Barfrau trug die schwarz gefärbten Haare zu einem asymmetrischen Bob geschnitten, aus dem einige dunkellila gefärbte Strähnen hervorstachen. »Sie hat hier angerufen und wollte ihren Mann sprechen.«
Winnie Heller starrte sie an. »Woher wissen Sie das?«
Lächeln. »Weil ich am Apparat war.« Sie drehte sich um und zeigte auf eine Tür hinter der Theke. »Da ist ein
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