Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
Sie suchen, ist diese Grenze bereits seit geraumer Zeit überschritten. Er hat in den Vergewaltigungen ein Ventil gefunden. Aber dieses Ventil nutzt sich ab. Und zwar schnell.«
Winnie Heller überlegte, ob sie den Profiler nach Irina Portner fragen sollte, doch sie wagte es nicht, seine Ausführungen einfach zu unterbrechen.
»Die Kollegen vom K 12 haben uns bereits vor geraumer Zeit das gesamte Material zur Auswertung zur Verfügung gestellt. « Er nickte Wieczorek zu. »Krankenhausberichte, Spurenauswertung, Zeugenaussagen.«
»Und am Ende reißt sich das BK A die Lorbeeren unter den Nagel«, raunzte Hinnrichs, der auf seinem Stuhl lümmelte wie ein Pennäler. »Ganz wie immer.«
»Ich hoffe doch sehr, dass wir alle an einem Strang ziehen«, konterte Kolmar mit einem souveränen Lächeln.
Verkaufen Sie mich nicht für dumm, Freundchen , spotteten Hinnrichs’ Augen, doch er riss sich zusammen und wandte den Blick ab.
Bredeney, dem Machtrangeleien jeder Art von Haus aus zuwider waren, schüttelte missbilligend den Kopf.
»Er sucht sich starke Frauen aus«, erklärte Kolmar. Unter seinem schwarzen T-Shirt zeichneten sich gut austrainierte Muskeln ab. »Frauen, die ausstrahlen, dass sie nicht leicht zu knacken sind. Wahrscheinlich reizt es ihn, gerade solchen Frauen das Rückgrat zu brechen. Er will sich messen. Und vermutlich macht ihn auch das Risiko an, das er eingeht, wenn er sich einen starken Gegner aussucht.«
Winnie Heller sah von ihren Notizen hoch. »Wenn er einen starken Gegner sucht«, wandte sie ein, »warum betäubt er die Frauen dann?«
Hinnrichs bedachte sie mit einem beifälligen Nicken. Offenbar hatte er sich dieselbe Frage gestellt.
»Das ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch«, erwiderte
Kolmar. »Im Moment des Überfalls setzt Ihr Mann sich sehr wohl körperlich und mental mit diesen Frauen auseinander. Und nach seiner Sicht der Dinge haben sie auch eine reelle Chance, das Spiel zu gewinnen.«
»Ach ja?«, entgegnete Winnie spöttisch. Allmählich ging es ihr gehörig auf die Nerven, dass der Profiler immer »Ihr Mann« oder »Ihr Täter« sagte. Fast so, als ob die ganze Sache ihn selbst nicht das Geringste anginge.
Kolmar schien die unausgesprochene Kritik zu spüren und lächelte ihr zu. »Natürlich haben die Frauen ihre Chance«, wiederholte er mit Nachdruck. »Sie könnten ihn zum Beispiel kommen hören. Wenn sie über gute Instinkte verfügten, wären sie durchaus in der Lage, etwas wahrzunehmen, das sie vor ihm warnt. Und selbst wenn er ihnen sozusagen schon Auge in Auge gegenübersteht, haben sie rein theoretisch noch die Möglichkeit, sich erfolgreich gegen ihn zur Wehr zu setzen. «
»Das ist jetzt nicht Ihr Ernst«, echauffierte sich Hinnrichs, und in seinem Blick lag echte Empörung.
»Ich versuche nur darzustellen, wie er denkt«, hielt der Profiler ihm entgegen. »Jedenfalls ist die Auseinandersetzung für Ihren Mann in dem Moment vorbei, in dem es ihm gelingt, die betreffende Frau zu überwältigen. Die Betäubung ist für ihn somit nicht Mittel zum Sieg, sondern erleichtert ihm nur, was dann folgt.« Er sah sich in den Gesichtern der Anwesenden um, als sei er nicht sicher, ob sie noch länger zuzuhören bereit waren. »Hauptsächlich aufgrund der eben genannten Faktoren sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass sich der Mann, den die Presse den Artisten nennt, durch ein bemerkenswert großes Selbstbewusstsein auszeichnet«, fuhr er schließlich fort. »Gerade bei Vergewaltigern kann man den Grad ihrer Selbstsicherheit recht gut an der Wahl ihrer Opfer festmachen. Oder anders ausgedrückt: Je geringer das Selbstbewusstsein eines solchen Täters ist, desto hilfloser werden
die Opfer sein, die er sich aussucht. Kinder, Behinderte, Drogensüchtige, Prostituierte, kurzum alles, was leicht zu kriegen und von dem keine allzu große Gegenwehr zu erwarten ist. Wobei man dazusagen muss, dass Prostituierte einen ganz besonderen Opfertypus verkörpern, weil sie erfahrener sind und sich in Gefahrensituationen meist anders verhalten als Frauen, die nicht so viel durch haben.«
Winnie Heller betrachtete die Hände des Profilers, die entspannt auf den Lehnen seines Stuhls lagen. Sie waren leicht gebräunt und wirkten feingliedrig und sensibel. An Kolmars linkem Ringfinger saß ein schlichter goldener Ehering.
»Prostituierte sind an perverse Phantasien gewöhnt«, spann er den begonnenen Gedanken weiter. »Und auch daran, Dinge zu tun, die sie eigentlich gar nicht
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