Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
einzusteigen und die Dame des Hauses zu vergewaltigen. Und dann wartet er irgendwo darauf, dass der Artist die Villa verlässt?«
»Das würde zu einer Information passen, die wir gerade erst erhalten haben«, erklärte Winnie Heller, während sie einen Blick mit ihrem Vorgesetzten tauschte. Dann berichtete sie in knappen Worten von dem Gespräch, das sie mit Matthias Juhl geführt hatte, und über den Fund, den die Kriminaltechniker im Garten der Portners gemacht hatten.
»Ein Fersenabdruck also.« Kolmar machte sich eine entsprechende Notiz. »Und Sie können ganz sicher ausschließen, dass er von den Portners stammt?«
»Von ihm kann er definitiv nicht sein«, entgegnete Winnie. »Mit ihr muss ich mich erst noch unterhalten.«
»Okay«, der Profiler legte seinen Stift beiseite. »Falls unsere
Theorie stimmt – und es ist, das möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen, zum gegenwärtigen Zeitpunkt tatsächlich nicht mehr als eine Theorie –, falls diese unsere Theorie also stimmt, hat der Artist vermutlich erst aus den Medien von dem Mord an Jan Portner erfahren.«
Hinnrichs stieß sich von der Fensterbank ab. »Von einem Mord, wohlgemerkt, den man ihm anlasten wird, wenn man ihn irgendwann erwischt.«
»Das muss ihn aber doch eigentlich furchtbar wütend machen, oder?«, murmelte Winnie Heller.
Kolmar nickte. »Ihrem Mann geht es bei allem, was er tut, um Dominanz. Er will immer und überall Herr der Lage sein. Er spielt, und er will gewinnen. Sollten wir mit unserer Theorie von einem Erpresser richtigliegen, würde das bedeuten, dass ihn jemand zum hilflosen Werkzeug degradiert hat. Das ist etwas, was ein solcher Tätertyp auf gar keinen Fall dulden wird.«
Hinnrichs stieß sich vom Fenster ab. »Sie meinen, dass er sich den, der ihn erpresst hat, tüchtig zur Brust nehmen wird?«
Kolmar machte eine bedeutungsvolle Geste. »Falls er weiß, wer das ist …«
13
Winnie Heller hielt direkt vor Lübkes Gartentor. Sie ließ die Fenster ihres Polos eine gute Handbreit offen und entnahm dem Kofferraum zwei prall gefüllte Einkaufstüten sowie einen Eimer voller Putzutensilien – Glasreiniger, Kühlschrankdesinfektionsmittel, dazu einen von diesen Schwämmen, die angeblich ganz ohne Schrubben alles zum Glänzen brachten, was eine glatte Oberfläche hatte. Und natürlich die extrateure Premium-Laminatpflege. Sie
schleppte ihre Schätze den ausgetretenen Plattenweg entlang zur Haustür und zerrte den Schlüssel aus der Tasche ihrer Capri-Jeans. Frei nach dem Grundsatz, dass selbst der beste Haarschnitt eine gewisse Zeit benötige, um in Form zu fallen, hatte sie sich die Büsche im Vorgarten bereits vor ein paar Tagen vorgenommen, und mit Ausnahme des alten Buchsbaums neben dem Briefkasten, der total verunglückt war, konnte sich das Ergebnis durchaus sehen lassen.
Aus dem Inneren der zum schnuckeligen kleinen Wohnhaus ausgebauten Laube schlug ihr stickige Wärme entgegen. Dass Lübke nach seiner sechswöchigen Kur ausgerechnet in diese drückende Schwüle zurückkehrte, die schon jedem Gesunden gehörig zu schaffen machte, gefiel ihr nicht. Sie seufzte und wuchtete ihre Tüten auf die Arbeitsplatte. Dann öffnete sie als Erstes sämtliche Fenster sowie die schmale Terrassentür, die von der Küche aus in den hinteren Teil des Gartens führte. Nachdem sie die verderblichen Lebensmittel verstaut hatte, streifte sie sich ein Paar Einweghandschuhe über und machte sich ans Werk.
In den vergangenen sechs Wochen hatte sie viel Zeit in diesem Haus verbracht, weit mehr, als nötig gewesen wäre, um nach dem Rechten zu sehen und Kowalski zu versorgen, Lübkes riesigen roten Kater, der im Grunde – ganz ähnlich wie sein Besitzer – wunderbar allein zurechtkam. Ganz zu schweigen davon, dass auch Marie Latour, eine ehemalige Prostituierte und gute Freundin Lübkes, angeboten hatte, sich um das Haus zu kümmern. Doch davon hatte Winnie Heller von Beginn an nichts wissen wollen. »Keine Umstände machen« und »sowieso auf dem Weg« waren Argumente gewesen, die sie Lübke und den Kollegen gegenüber angeführt hatte, auch wenn die Dinge im Grunde noch sehr viel einfacher lagen: Fakt war, dass sie sich hier einfach wohlfühlte. Und so hatte sie nach Dienstschluss oft noch lange in Lübkes ausladendem Fernsehsessel gesessen und sich irgendeine
stumpfsinnige Talentshow angesehen. Oder im Garten hinter dem Haus eine eisgekühlte Cola genossen, während die Sonne hinter den Hügeln versank und die
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