Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
oder?«
»Ganz wie du willst.« Sie riss ihm die Packung mit dem Aufschnitt aus der Hand und fühlte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen. »Dann nehme ich das hier wieder mit, und du bestellst dir eine Pizza. Am besten eine mit Salami und Schinken und extra Gorgonzola. Deine Zigarillos sind übrigens in dem kleinen Holzkästchen neben dem Fernseher, ganz wie immer. Und im Vorratsraum findest du bestimmt auch noch ’ne Pulle Malt, die du köpfen kannst. Ich wünsche dir einen guten Appetit!«
Sie wartete nicht auf seine Reaktion, sondern riss ihre Handtasche an sich und verließ das Haus.
14
»Du sollst dich bei dieser Gluthitze doch nicht so anstrengen. «
Silvie Verhoeven ließ den Schwamm sinken und wandte sich zu ihrem Mann um. »Es ist nach sieben, und ich reinige eine Arbeitsplatte«, entgegnete sie dezidiert. »Ich grabe nicht den Garten um.«
»Aber es sind noch immer an die dreißig Grad da draußen«, wandte Verhoeven ein. »Im Schatten wohlgemerkt.«
»Richtig«, nickte sie. »Eben darum bin ich hier drin.«
»Aber warum lässt du das denn nicht die Putzfrau übernehmen? « Verhoeven hatte eine engagiert, als er erfahren hatte, dass seine Frau wieder schwanger war. »Oder mich?«
»Du hast unregelmäßig Dienst, die Putzfrau kommt erst übermorgen, und das hier ist Erdbeermatsch«, entgegnete Silvie todernst.
»Ja, und?«
»Wenn wir den bis übermorgen dort lassen, wo er ist, lebt er.«
»Okay«, sagte Verhoeven, »gib her!«
Er versuchte, ihr den Schwamm zu entwinden, aber sie wehrte sich nach Kräften. »Verdammt noch mal, Hendrik, ich werde irre, wenn ich nur zu Hause rumsitze.«
»Aber der Arzt hat gesagt, dass du vorsichtig sein sollst.«
»Ja, vorsichtig «, versetzte sie. »Er hat mit keiner Silbe erwähnt, dass ich den ganzen Tag im Bett bleiben muss, so wie du es gern hättest.«
»Niemand verlangt, dass du den ganzen Tag im Bett bleibst«, entgegnete er ruhig. »Aber es war auch keine Rede davon, dass du tonnenweise Obst einkochen sollst, während alles fast umkommt vor Hitze.«
»Die Beeren verderben, wenn ich sie nicht jetzt verarbeite.«
»Dann lass sie doch in Gottes Namen verderben.«
»Das kann ich nicht.«
»Wieso nicht?«
»Das sind Lebensmittel, Hendrik.«
»Aber unser Kind gefährden, das kannst du.«
Sie starrte ihn an. Fassungslos über die Dimension, die ihr harmloses Wortgefecht mit einem Mal hatte. »Was tue ich?«
Das Läuten der Haustür entband Verhoeven von einer Antwort auf diese unbequeme Frage, und er nutzte seine Chance. »Ich gehe schon«, sagte er und beeilte sich, aus der Küche zu kommen.
»Das werden Rieß-Sempers sein«, rief seine Frau ihm nach, und er suchte in ihrer Stimme vergeblich nach Anzeichen unterdrückter Wut. »Sie waren mit Nina und Dominik im Schwimmbad.«
Etwas an der Art, wie sie das sagte, gab ihm zu denken, doch er konnte sich nicht erklären, was es war. Ein Anflug von schlechtem Gewissen vielleicht, auch wenn er keine Idee hatte, weswegen seine Frau ausgerechnet in einer Situation wie dieser ein schlechtes Gewissen hätte haben sollen. Im Gegenteil: Normalerweise ging sie ohne Zögern zum Angriff über, wenn sie das Gefühl hatte, dass er sie gängeln wollte.
Kaum dass er die Tür geöffnet hatte, sprang ihm seine knapp sechsjährige Tochter in die Arme. Ihr Haar war noch feucht und duftete nach Sonne und Chlor.
»Wir waren auch noch im Schwimmbad«, rief sie begeistert. »Aber da gibt es keine Muscheln. Nicht mal ganz kleine. Dafür haben wir Seegras gepflanzt, aber das kam immer wieder an die Oberfläche. Herr Semper sagt, das macht nichts, weil die Seekühe es sowieso abweiden, stimmt das?«
Verhoeven blickte an ihr vorbei zu einem altertümlichen VW Passat, der an der Straße vor der Einfahrt stand. Von dort aus kamen ihm Ninas Kindergartenfreund und dessen Vater entgegen.
»Darf Dominik heute bei uns übernachten?«, bettelte seine Tochter, als die beiden die Haustür erreicht hatten. »Wir wollen nämlich noch unsere Fischfarm machen und …«
»Nicht heute«, fiel Verhoeven ihr ins Wort, indem er Adrian Rieß-Semper mit einem entschuldigenden Lächeln die Hand hinstreckte. »Tut mir leid, aber ich muss noch eine Menge Berichte lesen, und für meine Frau ist das alles im Augenblick …«
»Selbstverständlich darf Dominik hierbleiben«, fiel ihm in diesem Moment Silvies Stimme buchstäblich in den Rücken. Also hatte sie doch nicht einfach aufgesteckt! »Das ist überhaupt kein Problem.«
Verhoeven
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