Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
Brieftasche zu verstauen. Der Taxifahrer, ein drahtiger Inder, stieg aus, lief um den Wagen herum und wuchtete mit grimmiger Entschlossenheit einen riesigen schwarzen Koffer auf den brüchigen Asphalt des Gehwegs.
Lübke hob dankend die Hand. Er hatte abgenommen, sogar ziemlich viel. Das hellblaue Hemd klaffte über dem Bauch nicht länger auseinander, sondern fiel locker über seine ausgeblichenen Blue Jeans. Und auch der Teint des obersten Spurensicherers wirkte frisch und erholt.
»Warte!«, schrie Winnie Heller aus dem Fenster, als er sich anschickte, nach dem Koffer zu greifen. »Ich helfe dir!«
Sie stürmte aus der Tür und rannte über den Plattenweg zur Straße.
»Na, so was, Frau Heller.« Über Lübkes kantige Züge huschte
ein Lächeln. »Schön, Sie zu sehen. Wie ist das werte Befinden? «
»Hör auf mit dem Blödsinn«, fuhr Winnie ihn an, indem sie ihm den Koffer zu entwinden suchte. Doch Lübke hielt ihn mit eisernem Griff. »Mit dieser Hitze hier ist nicht zu spaßen und …«
»Ich war in Grömitz, nicht am Nordpol«, fiel Lübke ihr ins Wort, ohne mit dem Koffer auch nur einen einzigen Millimeter nachzugeben. »Und bevor ich nicht mindestens tot bin, erlaube ich niemandem, meinen Kram zu schleppen. Erst recht keiner Frau, klar?«
Sie wusste, es war ein Scherz, aber sie fühlte umgehend einen Kloß in ihrer Kehle. »Von mir aus«, gab sie in barschem Ton zurück. »Wenn du dich unbedingt aus irgendeinem veralteten Rollenverständnis heraus umbringen willst, bitte sehr.«
Er lächelte nur und musterte sie dann von oben bis unten, als sähe er sie heute zum ersten Mal. »Wie geht es dir?«
»Mir?«
»Ja, dir.«
»Gut.«
»Fein.« Seine Augen waren von demselben strahlenden Blau wie die von Hans Albers. »Mir auch.«
Winnie blickte an ihm herunter und entspannte sich ein wenig. Es war nicht zu leugnen, dass ihm die Gewichtsreduktion stand, auch wenn sie sich an die eingefallenen Wangen erst würde gewöhnen müssen. »Okay«, sagte sie. »Und wieso bist du schon da?«
»Sie haben mich rausgeworfen.«
»Ernsthaft?«
Lachen. »Unsinn. Ich habe mit Bredeney telefoniert, und der meinte, dass ihr vielleicht Hilfe brauchen könnt.«
Sie sah ihn entsetzt an. »Du willst wieder arbeiten?«
»Na, klar doch.« Ihre Sorge schien ihn zu amüsieren. »Was hast du erwartet? Dass ich ab sofort nur noch in irgendeinem
ergonomisch geformten Lehnstuhl rumhänge und auf meinen Tod warte?«
»Verdammt noch mal, es reicht«, fuhr sie ihn an. »Hör gefälligst auf, einen Witz daraus zu machen!«
»Woraus?«
»Leck mich, Lübke.« Sie nutzte einen Moment der Unaufmerksamkeit und riss den Koffer an sich.
Er runzelte die Stirn, aber er ließ sie gewähren. »Wirklich«, sagte er, als er hinter ihr in die frisch geputzte Diele trat. »Mir geht’s gut.«
»Das freut mich.«
»Donnerwetter«, rief er, indem er sich anerkennend umsah. »Was hast du angestellt? Dieses Haus sieht aus wie neu.«
»Das ist alles noch gar nicht fertig«, fauchte sie, indem ihr nun auch wieder einfiel, dass sie verschwitzt und dreckig war und obendrein ihre älteste Jeans anhatte. »Aber du bist ja nicht in der Lage, dich an Absprachen zu halten.«
Lübke drängte sich an ihr vorbei in die Küche. »Scheiße, hab ich einen Kohldampf«, erklärte er, indem er eine Schublade aufriss und die Speisekarte eines italienischen Restaurants mit Lieferservice herauszog. »Was hältst du davon, wenn ich uns ’ne Pizza bestelle?«
»Schau mal in den Kühlschrank«, forderte sie ihn mit einem stolzen Lächeln auf. »Ich denke, das sollte erst mal eine Weile reichen.«
»Du hast eingekauft?« Er öffnete den Kühlschrank und schüttelte missbilligend den Kopf, als er die prall gefüllten Regale sah. Aber sie hatte trotzdem das Gefühl, dass er sich freute. »Und das jetzt, wo du bis über beide Ohren in einem Fall steckst.«
»Ach was, kein Problem.« Ich habe ja sowieso fast meine gesamte Freizeit hier verbracht, ergänzte sie in Gedanken.
»Putenaufschnitt«, las Lübke derweil von einer der Packungen ab. »Der extra fettarme … Oh, und Magerquark!«
»Der schmeckt toll mit frischen Früchten«, erklärte Winnie unbeirrt. »Deine Himbeeren hinten an der Hecke tragen ganz phantastisch und …«
»Herrgott noch mal, Mädchen«, unterbrach Lübke sie erneut. »Du bist ja schlimmer als diese Furien in der Klinik. Ich meine, Herzkranzgefäße hin oder her, aber das Leben soll doch auch noch ’n bisschen Spaß machen,
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