Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
war augenscheinlich noch jung, Anfang zwanzig vielleicht, und wirkte ehrgeizig. Der Typ, der immer und überall einen Kameramann und einen Schminkkoffer dabei und gleichzeitig Haare auf den strahlend weißen Zähnen und Stahlkappen an den Ellenbogen hatte.
»Sybille Nörthling, Rhein-Main-TV«, stellte sie sich vor, während sie Winnie Hellers Vorgesetztem ein blau-bekapptes Mikrofon unter die Nase hielt, »darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«
»Nein«, entgegnete Verhoeven knapp. »Dafür haben wir unseren Pressesprecher.«
»Der es ganz ausgezeichnet versteht, mit einer Reihe von
wohlformulierten Worthülsen weniger als nichts zu sagen«, konterte die Reporterin.
»Tja«, sagte Verhoeven, dem die forsche Art der Journalistin missfiel, »Pech.«
»So würde ich das nicht sehen.« Sie schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln. »Sie wissen so gut wie ich, dass die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse hat, mehr über …«
»Hören Sie«, erwiderte Verhoeven, indem er sie sanft, aber bestimmt zur Seite schob. »Ich verstehe Ihr berechtigtes Interesse. Und ich verstehe auch, dass die Leute informiert werden wollen. Und genau das werden sie auch, sobald es etwas zu berichten gibt. Also warten Sie einfach auf die nächste Pressekonferenz und lassen Sie uns in der Zwischenzeit unseren Job machen, einverstanden?«
»Heller, nicht wahr?«, hörte Winnie in diesem Augenblick eine Stimme hinter sich, wobei sie sich zunächst nicht in der Lage sah, zu entscheiden, ob diese Stimme einem Mann oder einer Frau gehörte.
Sie drehte sich um und sah eine Frau, die gewissermaßen den Gegenentwurf zu Sybille Nörthling verkörperte. Sie war klein und sehnig. Eine von der Sorte, die Make-up für überflüssig und Mode per se für frauenfeindlich hielt und die es dennoch äußerst übel nahm, wenn man sie übersah.
»Sie waren unter den Geiseln, bei dieser Sache im letzten Frühjahr.« Es war eine reine Feststellung. Nicht etwa eine Frage.
Winnie blickte an der Frau hinunter. Sie trug Jeans, T-Shirt und trotz der Hitze knöchelhohe Armeestiefel. »Ja und?«
»Nichts und …« Die Reporterin verzog keine Miene, als sie Winnie Heller eine ihrer sehnigen Hände entgegenstreckte. »Jo Ternes, freie Journalistin.«
»Jo?«, fragte Winnie, die nicht im Traum daran dachte, einer wildfremden Journalistin die Hand zu schütteln.
Die Reporterin verdrehte die Augen. »Ach du Scheiße, so was fragen mich sonst nur Männer.«
»Ich weiß eben gern, wen ich vor mir habe«, versetzte Winnie, während sie zugleich überlegte, wie sie sich am besten vom Acker machen konnte. Sie sah zu Verhoeven hinüber, doch der kämpfte nach wie vor mit Sybille Nörthling, die ihn hartnäckig bedrängte. »Und Jo ist für mich nicht …«
»Gefällt Ihnen Josefine besser?«
Winnie lächelte. »Nicht unbedingt.«
»Na, sehen Sie. Vielleicht können wir dann jetzt zu den wirklich wichtigen Dingen des Lebens kommen …«
»Sie meinen den Weltfrieden und die Prognose der Wirtschaftsweisen? «, stichelte Winnie, indem sie versuchte, sich quer durch die Wartenden hindurch Richtung Eingang vorzuarbeiten.
»Ich meine den Kerl, der in erschreckend kurzen Abständen lebenstüchtige und kluge Frauen in traumatisierte Opfer verwandelt«, rief Jo Ternes ihr nach. »Und der irgendwann eine von ihnen töten wird, wenn Sie ihn nicht stoppen.«
Winnie drehte den Kopf. »Er hat bereits getötet«, widersprach sie und hätte sich im selben Moment am liebsten geohrfeigt dafür, dass sie sich von einer Fremden, noch dazu von einer Reporterin, aus der Reserve locken ließ.
»Ich rede nicht von Notwehr.« Jo Ternes war schon wieder direkt hinter ihr. »Ich meine, das ist natürlich Pech für Portner, aber …«
»Ganz richtig«, versetzte Winnie in bewusst neutralem Ton, doch der schien die Journalistin augenblicklich auf den Plan zu rufen.
»Ach du Scheiße«, entfuhr es ihr, nachdem sie Winnie Hellers Gesicht mit einem kurzen, prüfenden Blick bedacht hatte. »Das heißt, es hat bereits ein weiteres Opfer gegeben?«
»Wenn es so wäre, wüssten Sie das«, versetzte Winnie und wandte sich wieder ab.
Doch die Reporterin ließ sich nicht abschütteln. »Warten Sie …« Sie umrundete Winnie mit ein paar schnellen Schritten
und hielt sie am Arm fest. »Wenn es außer Portner keinen Toten gegeben hat, dann … Hey, das mit Portner war gar keine Notwehr, oder?«
»Das habe ich weder gesagt noch gemeint.«
»Oh doch!« Die wachen blauen Augen fixierten
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