Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
vielleicht irgendwas für dich tun?«, fragt sie so routiniert, dass er ihr am liebsten seine geballte Faust mitten ins Gesicht gehämmert hätte.
»Nein.«
Warum, zum Teufel, verschwindest du dann nicht endlich aus meinem Haus?, denkt sie.
Die Frage brennt ihn aus ihren meergrünen Augen heraus an wie ein unausgesprochener Vorwurf.
Sie hat längst entschieden, dass sie ihn nicht leiden kann. Und es stört sie maßlos, dass ihre Tochter eine solche Schwäche für ihn hat. Diese Schwäche ist der einzige Grund dafür, dass sie ihm nicht längst die Tür gewiesen hat. Etwas, das er sehr gut verstehen kann. Sie arbeitet viel. Sie ist ehrgeizig. Und sie liebt ihren Job. Weit mehr, als sie ihre Tochter liebt, für die sie sich, wenn überhaupt, nur am Rande Zeit nimmt, in den spärlichen Nischen, die ihr Job ihr übriglässt. Die Folge ist ein chronisch schlechtes Gewissen. Dass Florentine ein ungewolltes Kind ist, das Karolin Reding für den Rest ihres Lebens an einen Mann erinnern wird, den sie schon vor neunzehn Jahren am liebsten so schnell und so restlos wie nur irgend möglich vergessen hätte, macht die Sache nicht unbedingt besser. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass die süße kleine Flo Mamas turmhohen Ansprüchen so gar nicht genügen will mit ihrer Bequemlichkeit und der naiven Eindimensionalität, die sie von ihrem Vater geerbt hat. Wenn sie ehrlich wäre, würde sie zugeben, dass ihre Tochter ihr nahezu jede Sekunde, die sie miteinander verbringen, auf die
Nerven geht. Aber so fühlt man nun einmal nicht als Mutter. Basta.
Also darf sich Flo-Schatz so ziemlich alles erlauben.
Glücklich soll sie sein, gut soll es ihr gehen, damit ihre Mutter etwas hat, womit sie ihre Schuldgefühle zum Schweigen bringen kann.
Im Grunde exakt derselbe Mechanismus wie bei ihm zu Hause.
Nur aus anderen Gründen …
»Damian?«
»Ja?«
»Was lächelst du?«
»Lächle ich?«
Seine Einsilbigkeit bringt sie fast um den Verstand. Zugleich spürt sie die Gefahr, die von ihm ausgeht, immer deutlicher. Auch wenn sie die Bedrohung erfolgreich verdrängt. Sie ist keine, die sich Angst zugesteht. Eins der Dinge, die ihn an ihr faszinieren. Trotz ihrer unverkennbaren Intelligenz diese maßlose Dummheit, zu glauben, dass ihr nichts geschehen kann. Doch sosehr sie auch um Verdrängung bemüht ist, sie kann nicht verhindern, dass sie eine diffuse Verstörung empfindet. Ein Gefühl, das sie sich partout nicht erklären kann. Und aus diesem Grund wird sie jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, ihn so schnell wie möglich loszuwerden.
»Da fällt mir ein …«
Wie gesagt …
»… dass Flo ihre Strickjacke vergessen hat.« Ihr Blick huscht über das Sofa in seinem Rücken, und sie hat Glück: Ihre phantasielose Tochter lässt ihre Sachen tatsächlich immer auf die gleiche Weise herumliegen.
Gottlob!
»Würdest du ihr die bitte mitnehmen?« Ihre warme Stimme ist beschwingt vor Erleichterung, dass sie einen derart guten Vorwand gefunden hat, und sie ist so mit sich beschäftigt,
dass sie sich nicht einmal mehr die Mühe macht, es zu verbergen. »Wenn die Sonne weg ist, wird es ja doch noch ziemlich kühl.«
Die Strickjacke, ein buntes Teil mit Knöpfen in Blütenform, schwebt an ihrem ausgestreckten Arm zwischen ihnen, und für einen flüchtigen Augenblick scheint die Zeit stillzustehen. Doch als ihre Augen die seinen treffen, gefriert ihre Miene von einer Sekunde zur anderen zu Eis, und instinktiv versucht sie noch, die Jacke zurückzuziehen.
Aber er ist schneller.
Er hält das Kleidungsstück behutsam wie ein Baby, und seine Hand streicht langsam, fast zärtlich über den weichen Stoff. »Machen Sie sich keine Sorgen«, flüstert er, während Karolin Reding in wachsender Verzweiflung versucht, aus der Falle, die sie sich selbst gestellt hat, herauszukommen. »Ich sorge dafür, dass Flo ihre Jacke bekommt.«
VIER
1
»Ach du Scheiße, das ist doch jetzt nicht dein Ernst, oder?«
Jo Ternes schob die Hände in die Taschen ihrer Blue Jeans, während sich Luca Fischer, leitender Redakteur für Lokales beim Wiesbadener Kurier , wieder in die Lektüre des Entwurfs vertiefte, den sie ihm vorgelegt hatte.
Von Zeit zu Zeit entfuhr ihm ein weiteres, offenbar tiefehrlich empfundenes »Scheiße«, bevor er mit den Worten »Echt krass« endete.
Jo nickte zufrieden. Luca zeigte genau die Reaktion, die sie erwartet hatte. Und jetzt würde er gleich darauf hinweisen, dass sie mit ihrem Bericht über Jan Portners bewegte
Weitere Kostenlose Bücher