Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
Vergangenheit gegen sämtliche Anstandsregeln verstieß …
Er sah hoch. »Das ist ziemlich pietätlos, findest du nicht?«
»Nein«, konterte sie. »Es ist einfach nur die Wahrheit.«
Das interessierte Luca – wenn überhaupt – freilich nur im Hinblick auf etwaige Klagen wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Jo konnte sehen, dass er Blut geleckt hatte. Allerdings würde er zuerst noch eine Weile mit ihr spielen, so waren nun mal die Regeln. Auch wenn sie das alles einfach nur zum Kotzen fand. Sie schenkte Luca ein schicksalsergebenes Lächeln und wartete dann geduldig darauf, dass er von selbst aus der Deckung kam. Luca Fischer war kein Typ, den man drängen durfte. Und sie wollte ein bestimmtes Ergebnis erzielen. Folglich hieß das Gebot der Stunde tatsächlich: Geduld.
Sie schob ihren Kaugummi auf die andere Seite und betrachtete die verstaubten Schwarz-Weiß-Fotos an der Wand. Laurel und Hardy in allen Variationen, was bei einem absolut humorlosen Mann wie Luca eigentlich ein Widerspruch in sich war.
Komm schon, Luca-Baby, ich hab nicht mein ganzes Leben lang Zeit!
Jo verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen.
Abgesehen davon, dass sie ihren Job aufrichtig liebte, saß ihr Vermieter ihr auch schon wieder ziemlich lange wegen der Miete im Nacken. Und außerdem wollte sie unbedingt so schnell wie möglich in den Jemen, um für das Buch über Frauenrechtsverletzungen in der islamischen Welt zu recherchieren, das sie seit einer halben Ewigkeit plante. Und als feste Freie hatte sie leider keinen Verleger im Rücken, der ihr das Geld für eine solche Reise vorstreckte …
»Man wird dir das als posthume Demontage auslegen«, verkündete Luca, während er den Ausdruck sinken ließ und auf seinem völlig zugemüllten Schreibtisch nach einem Kugelschreiber suchte.
»Ich demontiere niemanden«, antwortete Jo. »Ich werfe lediglich die Frage auf, ob jemand automatisch zum Heiligen mutieren muss, wenn er eines gewaltsamen Todes stirbt. Und in Jan Portners Fall finde ich diese Frage auch absolut berechtigt. «
»So werden unsere Leser das aber nicht sehen«, knurrte Luca.
Sie hob die Schultern. »Das interessiert mich nicht.«
»Du hast nicht den geringsten Beweis dafür, dass irgendjemand Jan Portner gezielt erschossen hat.«
»Ich behaupte auch nicht, dass er gezielt erschossen wurde. «
»Aber du behauptest, dass einige Leute einen verdammt guten Grund gehabt hätten, es zu tun.«
»Na und? Das stimmt doch.«
Er runzelte die Stirn und verbiss sich wieder in den Artikel. »Wer ist die Frau, die du hier zitierst?«
Jo reckte den Hals, um zu sehen, auf welche Textstelle sein Zeigefinger tippte. »Sie arbeitet in der Bar seines Restaurants.«
»Und sie behauptet, dass er von dort fortgelockt wurde an dem bewussten Abend?«
Sie nickte. »Abgefahren, oder?«
Luca sagte nichts, sondern las schweigend weiter. Zeile für Zeile, alles noch einmal. Er war von jeher vorsichtig gewesen. Vorsichtig und absolut skrupellos …
»Willst du das hier …«, er tippte wieder auf den Ausdruck vor sich, »nicht erst mal der Polizei vorlegen?«
»Wieso sollte ich?«
Sein schön geschwungener Mund verzog sich zu einem Grinsen.
Und Jo witterte ihre Chance. »Wenn sie ihren Job verstehen, kommen sie von selbst drauf«, beeilte sie sich, das Eisen zu schmieden, solange es heiß war. »Schließlich verrate ich in meinem Artikel keine Staatsgeheimnisse.«
Lucas Grinsen vertiefte sich.
Kein Zweifel, sie war auf dem richtigen Weg. Am Horizont tauchte bereits das Flugticket nach Sanaa auf. »Also, was ist nun?«, fragte sie in locker-flockigem Ton. »Willst du die Story oder nicht?«
Seine Reaktion bestand in einem nachdenklichen Senken des Kopfes.
Komm schon, Luca, du hast dir die Sache jetzt lange genug angesehen! Also tu gefälligst nicht so, als stünde da irgendwas, das du noch nicht kennst …
»Na schön«, erklärte Jo, während sie ihm den Ausdruck direkt unter seinen smarten Augen wegfischte. »Deine Entscheidung. «
Sie ging zur Tür und hörte seine angestrengten Atemzüge in ihrem Rücken.
»Hey, Jo …«
Na also, wer sagt’s denn?
»Ja?«
»Warte.«
»Was ist denn noch?« Die Absätze ihrer Cowboystiefel quietschten, als sie sich zu ihm umdrehte. »Du hast ziemlich klargemacht, dass du …«
»Ich habe nicht gesagt, dass ich die Story nicht machen will«, fiel er ihr ins
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