Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
weitertreiben ließ, dankte Damian Kender dem ermordeten Jan Portner im Stillen einmal mehr dafür, dass er seinen Nobelfresstempel ausgerechnet an eine belebte Kreuzung wie diese gesetzt hatte.
3
Sie hatten Tausende Fahrzeugdaten überprüft. Hunderte von Passanten, Restaurantbesucher, Schaulustige gefilmt, analysiert und wieder verworfen. Doch bislang waren sie nicht fündig geworden. Es gab keine Auffälligkeiten. Und nicht die geringste Spur des Mannes, den die Zeitungen den »Artisten« nannten.
»Noch länger kann ich das wirklich nicht rechtfertigen«, knurrte Hinnrichs am Morgen bei der Einsatzbesprechung und verkündete im selben Atemzug, dass die Überwachung der Portner’schen Villa und des Canard noch am Nachmittag eingestellt werde. »Niemandem gegenüber.«
Verhoeven sah seine Kollegin an und nickte. Natürlich waren sie enttäuscht. Aber ihnen war auch klar, dass Maßnahmen von einem derart großen Umfang immer auch einer engen zeitlichen Begrenzung unterlagen. Schon jetzt, das wusste jeder im KK 11, würde Hinnrichs große Probleme haben, die ergebnislose Überwachung seinen Vorgesetzten gegenüber zu vertreten.
»Vielleicht hat unser Mann irgendwie Wind von der Sache bekommen«, mutmaßte Bredeney über seiner Kaffeetasse. »Oder wir irren uns.«
»Das glaube ich nicht«, widersprach ihm Winnie Heller.
»Sondern?«
Sie zuckte die Schultern. »Der Artist ist unbestreitbar ein
Meister der Tarnung. Vielleicht war er da, und wir haben ihn einfach übersehen.«
»Leider läuft uns allmählich die Zeit davon. Die letzte Vergewaltigung ist jetzt sechs Tage her. Das bedeutet, dass er bald wieder zuschlagen wird.«
»Falls er unter den gegebenen Umständen seinen üblichen Rhythmus beibehält.« Winnie Heller wedelte sich mit einem Schriftstück ein wenig Frischluft zu. »Vielleicht hat er unter den gegebenen Umständen ja auch beschlossen, erst mal mit dem Mann abzurechnen, der ihn erpresst hat.«
Hinnrichs’ Kopf ruckte hoch. » Falls ihn überhaupt jemand erpresst hat.«
Verhoeven wühlte in den Kopien auf seinem Schreibtisch. Bündelweise Informationen. Obwohl sie nur zum Schlafen nach Hause gingen, war es ihnen noch immer nicht gelungen, sich einen Überblick über das Material zu verschaffen, das die Kollegen unermüdlich heranschleppten. Geschäftlich schien im Canard zumindest auf den ersten Blick alles in Ordnung zu sein. Jan Portner hatte vor einiger Zeit erfolglos versucht, seinem Kompagnon auch noch die letzten Anteile an dem gemeinsam geführten Nobelrestaurant abzukaufen, zu einem sehr guten Preis wohlgemerkt, doch Havel hatte den Verkauf immer vehement abgelehnt. Die beiden Geschäftspartner waren über diesen Punkt offenbar mehr als einmal ernsthaft in Streit geraten. Und ja, eine oder zwei dieser Auseinandersetzungen seien lautstark und hart an der Grenze zu Handgreiflichkeiten ausgetragen worden. Aber einander deswegen gleich umbringen? Das konnte sich keiner der Zeugen, mit denen Verhoeven und seine Kollegin gesprochen hatten, vorstellen.
Was das Liebesleben des ermordeten Gastronomen anging, hatten die Ermittler drei Frauen aufgetan, die einräumten, eine Affäre mit Portner gehabt zu haben. Eine gab an, die Sache habe sich bereits vor einiger Zeit erledigt. Die anderen
beiden berichteten von gelegentlichen Treffen bei sich zu Hause oder in einem Hotelzimmer. Allerdings habe man beiderseitig keinerlei feste Absichten verfolgt, sondern lediglich seinen Spaß haben wollen. Bredeney und Werneuchen hatten die angegebenen Hotels überprüft und auch die finanzielle Lage der betreffenden Frauen, aber sie hatten nichts gefunden, was deren Angaben widerlegt oder gar ein Motiv für den Mord an Jan Portner geliefert hätte. Trotzdem hatten sie Sprachproben aller drei Damen genommen und die Bänder Cindy Felke vorgespielt. Doch die junge Barangestellte berief sich nach wie vor darauf, dass der Anruf, der Jan Portner in den Tod gelockt hatte, zu einer Zeit eingegangen sei, zu der in der Bar nun mal absoluter Hochbetrieb herrsche – inklusive des entsprechenden Geräuschpegels.
»Das heißt, sie übernimmt die Garantie für gar nichts«, fasste Hinnrichs mit einem entnervten Stöhnen zusammen.
»So ist es«, murrte Verhoeven.
Und dann brachte Werneuchen den Artikel, der erst vor wenigen Stunden erschienen war. Er befand sich an exponierter Stelle auf der ersten Seite des Lokalteils und war überschrieben mit: DER HEILIGENSCHEIN DES VERBRECHENS.
»Was soll diese Scheiße?!«
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