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HMJ06 - Das Ritual

HMJ06 - Das Ritual

Titel: HMJ06 - Das Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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Laufenden, welche Kleidung der Durchschnitts-New-Yorker zu tragen pflegte.
    Der Durchschnitts-New-Yorker … richtig. Falls so ein Wesen existierte, dann war es eine schimärenhafte Kreatur. Man brauchte zum Beispiel nur ein so simples Accessoire wie die männliche Kopfbedeckung zu betrachten. Während der ersten paar Blocks auf seinem Weg in Richtung Innenstadt traf Jack auf einen Sikh in einem grauen Anzug mit einem roten Turban auf dem Kopf, einen gut dreihundert Pfund schweren Schwarzen mit einer winzigen französischen Baskenmütze, einen hageren kleinen Weißen mit einer Uniformmütze der Special Forces, einen Rabbi-Typen, der – trotz der Hitze – einen langen Gehrock und einen breitkrempigen schwarzen Hut aus Seehundsleder trug, sowie die übliche Parade von Kopftüchern, Kangolmützen, Kufis und Yarmulkes.
    Aber Jack war beruhigt, feststellen zu dürfen, dass die am häufigsten vertretene Kopfbedeckung die war, die auch er trug, nämlich die Baseballmütze. Mützen der Yankees waren denen der Mets zahlenmäßig überlegen, aber nicht sehr. Jacks Mütze zierte das orangefarbene Mets-Wappen. Obgleich neunzig Prozent der Mützen, die er sah, mit dem Schirm nach hinten oder zur Seite getragen wurden und obwohl Jack es vermied, den Nonkonformisten herauszukehren, trug er seine Mütze mit dem Schirm nach vorne. Umgekehrt getragen störte ihn der Verschluss des verstellbaren Mützenbandes auf der Stirn, und wenn der Schirm vorne war, lag sein Gesicht im Schatten.
    Er dachte, dass er mit seiner Mets-Mütze, der Pilotensonnenbrille mit verspiegelten Gläsern, einem weißen Nike-T-Shirt, Jeans und hohen Arbeitsschuhen aus hellbraunem Wildleder so gut wie unsichtbar war.
    Jack trat gegen 13 Uhr durch die Tür des Shurio Coppe. Von anderen Kunden war nichts zu sehen. Der rothaarige Assistent war hinter der Marmortheke damit beschäftigt, einen Karton auszupacken. Jack las die Absenderadresse: N. Van Rijn –Import/Export.
    »Ist Eli da?«
    »Sind Sie ein Freund von ihm?«
    »Ich habe ihn gestern zufällig getroffen.«
    Der Angestellte blinzelte nervös. »Tatsächlich? Wann?«
    »Gestern Abend. Warum? Ist was nicht in Ordnung?«
    »Und wie! Er liegt im Krankenhaus!«
    »Wirklich? Oh, das tut mir Leid. Das ist ein richtiger Schock! Hatte er einen Herzinfarkt oder was in dieser Richtung?«
    »Nein! Er ist in eine Messerstecherei geraten! Hier gleich um die Ecke. Praktisch direkt vor seiner Haustür!«
    Jack schlug die Hände vors Gesicht. »Hören Sie auf! Geht es ihm gut?«
    Ein Kopfnicken. »Ich nehme es an. Er hat irgendwann heute Morgen angerufen und Bescheid gesagt, dass er in ein paar Tagen wieder nach Hause darf, dass er aber längere Zeit nicht arbeiten wird. Es ist ganz furchtbar, einfach schrecklich.«
    »Kann man wohl sagen«, pflichtete Jack ihm bei und schüttelte traurig den Kopf. »Was für eine Welt ist das, wo ein unschuldiger Mensch ohne irgendeinen Grund niedergestochen wird?«
    »Ich weiß. Es ist entsetzlich.«
    »In welchem Krankenhaus liegt er denn?«
    »Im St. Vincent’s.«
    »Ich werd dort mal vorbeigehen und sehen, wie es ihm geht.«
    »Darüber würde er sich bestimmt freuen.« Der Assistent schüttelte noch einmal den Kopf, dann atmete er tief durch und sah Jack fragend an. »Kann ich Ihnen inzwischen mit etwas Bestimmtem behilflich sein?«
    »Nein«, erwiderte Jack. »Ich möchte bloß ein wenig herumstöbern.« Er sah sich um. »Sind Sie allein hier? Wo ist …?«
    »Gert? Sie hat heute frei und ist auch nicht zu erreichen. Morgen ist sie wieder da.« Er ließ den Blick unsicher über die voll gestopften Regale wandern. »Ich wünschte, sie wäre jetzt schon hier.«
    Ich nicht, dachte Jack. Das ist ja geradezu ideal.
    Er stellte die Tragetasche mit seinen Einkäufen auf die Theke. »Könnten Sie für einen Moment darauf aufpassen?«
    »Aber gern.«
    Natürlich tat er es gern. In Läden wie diesen wurde mit besonderer Aufmerksamkeit auf Kunden mit Einkaufstaschen geachtet. Nur eine winzige Bewegung, oft nicht mehr als ein Fingerschnippen, war nötig, um ein wertvolles kleines Teil von einem Regalbrett in eine solche Tasche zu befördern. Wenn er die Tasche auf die Theke stellte, wäre der Angestellte weniger wachsam, und außerdem hätte Jack dann beide Hände frei.
    Jacks bevorzugtes Objekt der Begierde lag in einer verschlossenen kleinen Holzvitrine rechts hinten im Laden, daher wandte er sich nach links. Er stieß auf eine alte, eulenförmige Uhr aus Holz, deren Augen sich jeweils in

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