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HMJ06 - Das Ritual

HMJ06 - Das Ritual

Titel: HMJ06 - Das Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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entgegengesetzter Richtung des Pendels bewegten. Oder zumindest hätten sie das tun sollen. Die Uhr schien defekt zu sein, sie ging nicht. Der Preis war nicht schlecht. Zu Hause hatte er bereits eine Uhr aus Plastik – in Form einer Katze mit beweglichen Augen. Diese hier wäre ein gutes Pendant. Eine Eule und eine Miezekatze.
    Jack trug die Uhr zur Theke.
    »Wenn Sie dieses gute Stück in Gang bringen, kaufe sich es.«
    Der Angestellte lächelte. »Mal sehen, was ich tun kann.«
    Das sollte ihn ausreichend beschäftigen, dachte Jack, während er sich wie zufällig nach rechts wandte und sich in Richtung der alten Holzvitrine bewegte.
    Als er sie erreichte, hielt er seine Dietriche schon bereit. Er warf einen Blick auf den zweiten Glasboden und, ja, der Roger-Rabbit-Schlüsselanhänger lag noch immer zwischen den anderen Gegenständen. Und das Vorhängeschloss sicherte nach wie vor die Tür.
    Er hatte am Sonntag registriert, dass das Vorhängeschloss ein englisches Fabrikat war, nämlich ein R-&-G-Modell. Ein gutes, solides Schloss, aber alles andere als sicher. Es zu öffnen war eine Prozedur von fünf Sekunden: Zwei Sekunden dauerte es, den Dietrich mit dem richtigen Durchmesser für den Schließbolzen zu finden, eine Sekunde, um den kleinen Stahlstift in das Schlüsselloch zu schieben, eine weitere Sekunde, um gefühlvoll zu drehen, und eine Sekunde, um das Schloss vollends zu öffnen.
    Jack ließ die Dietriche wieder in der Tasche verschwinden. Ein schneller Rundumblick – der Angestellte beugte sich über die Uhr, sonst war niemand zu sehen –, dann weitere fünf Sekunden, um das Vorhängeschloss abzunehmen, die Vitrinentür zu öffnen, Roger Rabbit herauszufischen, die Tür wieder zu schließen und mit dem Vorhängeschloss zu sichern.
    Erfolg auf der ganzen Linie.
    Er betrachtete den billigen kleinen Schlüsselanhänger. In seiner Hand fühlte er sich seltsam an …, ein winziges bisschen zu kalt in seiner Handfläche, als hätte er die winzige Figur aus einem Kühlschrank geholt. Und immer noch lag dieser flehende Ausdruck in den großen blauen Augen Roger Rabbits.
    Ursprünglich hatte er ihn für Vicky kaufen wollen. Aber Vicky hatte nichts mehr damit zu tun. Er wollte nicht, dass sie in die Nähe von etwas geriet, das Eli Bellitto gehört, das er berührt oder auch nur angesehen hatte. Bellitto hatte einen völlig irrwitzigen Geldbetrag für dieses alberne Ding abgelehnt. Das bedeutete, dass es für ihn besonders wichtig war. Und was für Bellitto wichtig war, könnte auch für Jack wichtig sein. Oder vielleicht wollte Jack den Schlüsselanhänger auch nur, um Eli Bellitto zu ärgern, einfach nur zum Spaß.
    Ehe er sich umdrehte, um sich noch einmal den Inhalt der Holzvitrine anzusehen … Die Pogs und die Matchbox-Autos und den Koosh-Ball und …
    Jack kam ein Gedanke, eine Möglichkeit, so entsetzlich und kalt, dass er zu spüren glaubte, wie sich eine Eisschicht auf seiner Haut bildete.
    Das war alles Spielzeug … Kindersachen … Und sie gehörten einem Kerl, der in der vergangenen Nacht ein Kind entführt hatte.
    Jack stand vor den Schränken und schwankte regelrecht unter der Schwindel erregenden Gewissheit, dass dies alles Trophäen waren, Erinnerungsstücke aus den Taschen anderer vermisster Kinder. Und Eli Bellitto prahlte damit. Wie viele hundert oder tausend Leute waren an diesem Schaukasten vorbeigegangen und hatten seinen Inhalt betrachtet, ohne auch nur im Entferntesten zu ahnen, dass jeder Gegenstand ein totes Kind repräsentierte.
    Jack konnte sich nicht überwinden, die Gegenstände zu zählen. Stattdessen starrte er auf den Schlüsselanhänger in seiner Hand.
    Wem hast du gehört? Wo ist dein kleiner Eigentümer begraben? Wie ist er oder sie gestorben? Warum hat er oder sie sterben müssen?
    Roger Rabbits Augen hatten ihren flehenden Ausdruck verloren. Sie waren jetzt nur noch ausdruckslos und blau. Vielleicht hatte Jack sich diesen verzweifelten Blick nur eingebildet, doch er hatte auf jeden Fall seinen Zweck erfüllt: Er war mit Eli Bellitto noch nicht fertig.
    Er fragte sich, wie seine eigene Miene im Augenblick wirken mochte. Er musste sich zusammenreißen, musste ruhig und gleichmütig dreinschauen und durfte sich nichts anmerken lassen.
    Er atmete einmal tief durch. Während er den Schlüsselanhänger spielerisch hin und her schwenkte, ging er zur Theke.
    »Tut mir Leid«, sagte der Angestellte. Er tippte auf die Eulen-Uhr, die vor ihm auf der Theke stand. »Ich kriege sie nicht

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