HMJ06 - Das Ritual
mir und meinem Bruder Bill aufgeteilt.«
»Ja, er erzählte mir, seine Frau Alice wäre viele Jahre vor ihm gestorben. Sie seien jetzt wieder vereint.«
»Sie wissen von Tante Alice? Das ist ja unglaublich. Und sie sind wieder zusammen? Das ist wunderbar.«
»Sie sind sehr glücklich. Was war mit dem Erbe?«
»Ach ja. Nun, ich bekam das Haus und alles, was sich darin befand.« Jack runzelte die Stirn und schob die Unterlippe vor, so dass es fast so aussah, als forme er einen Schmollmund. »Bill erbte die Münzsammlung. Onkel Matt hat ihn mir immer vorgezogen.«
»Die beiden Dinge waren nicht gleichwertig?«
Er seufzte. »Na ja, was den reinen Wert in Dollars betrifft, waren sie es sicherlich. Aber Bill brauchte nichts anderes zu tun, als einen Münzhändler zu suchen, um die Sammlung zu verkaufen. Wissen Sie, was er dafür eingesackt hat? Eine Viertelmillion Dollar.« Jack schnippte mit den Fingern. »Einfach so.«
»Und Sie mussten das Haus verkaufen. Das war bestimmt nicht so einfach.«
»Da haben Sie verdammt Recht. Ich musste auch sämtliche Möbel verkaufen. Am Ende hatte ich genauso viel Geld erlöst, aber ich musste ständig nach Minnesota und wieder zurück fliegen, und ich brauchte bis zur vergangenen Woche, um das Geld zu bekommen. Fast ein verdammtes halbes Jahr hat es gedauert.«
Madame Pomerol zuckte die Achseln. »Aber Sie haben doch jetzt viel Geld, oder? Sie sollten glücklich sein. Und ich kann in all dem nicht erkennen, weshalb Ihr Onkel so verärgert ist.«
»Nun …« Jack senkte abermals den Blick. »Ich glaube, es hat mit diesem kleinen Kasten zu tun.«
»Ja?«
Er atmete tief durch und seufzte wieder. »Vergangene Woche, als ich den Rest von Onkel Matts Sachen zusammenräumte, stieß ich auf das Etui. Es war verschlossen, und ich konnte den Schlüssel nicht finden, daher nahm ich es mit. Ich wollte zu einem Schlosser gehen, damit er es für mich öffnet, aber …«
»Aber was, Monsieur Butler?«
»Ich glaube nicht, dass Onkel Matt möchte, dass dieses Etui in meinen Besitz gelangt.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Sie werden es nicht glauben!« Er lachte nervös. »Aber vielleicht glauben Sie es doch, denn Sie sind schließlich ein Medium.« Erneutes tiefes Luftholen, gespieltes Zögern, dann: »Es ist dieses Behältnis.« Er tippte auf die matt glänzende Oberfläche. »Jemand oder etwas scheint damit zu spielen.«
»Zu spielen?«
Jack nickte. »Ich finde es an Orten, wo ich es niemals hingelegt habe. Und ich meine es so, wie ich es sage: Niemals.«
»Vielleicht hat Ihre Frau oder …«
»Ich lebe ganz allein, ich habe nicht einmal eine Haushaltshilfe. Aber ich suche grade eine. Kennen Sie vielleicht jemanden? Ich will nämlich …«
»Bitte erzählen Sie weiter.«
»Ach ja. Nun, es wanderte weiterhin umher, und ich versuchte eine logische Erklärung dafür zu finden und schrieb es meinem schlechten Gedächtnis zu. Aber am Samstag … am Samstag wurde es richtig unheimlich. Sehen Sie, ich beschloss es an diesem Tag zu einem Schlosser zu bringen, aber als ich mich auf den Weg machen wollte, konnte ich das Etui nirgendwo finden. Ich schaute überall in der Wohnung nach. Und am Ende, als der Schlosser längst Feierabend gemacht hatte und es zu spät war, um noch irgendetwas zu unternehmen, entdeckte ich das verdammte Ding unter meinem Bett. Ausgerechnet unterm Bett! Als ob jemand es vor mir hatte verstecken wollen. Tatsächlich weiß ich, dass es vor mir versteckt wurde, und ich habe auch eine ziemlich gute Vorstellung, wer es getan hat.«
»Es war Ihr Onkel Matt.«
»Das glaube ich auch.«
»Nein. Es war Ihr Onkel. Er hat es mir mitgeteilt.«
»Sie behaupten, Sie hätten das alles längst gewusst? Warum haben Sie mich weitererzählen lassen?«
»Ich musste wissen, ob Sie die Wahrheit sagen. Jetzt weiß ich es. Was Sie mir erzählen, stimmt mit dem überein, was ich von Ihrem Onkel erfahren habe.«
Ja, so ist es richtig.
Foster meldete sich. »Am Schloss dieses Kästchens habe ich ein paar Kratzer gesehen. Es sieht verdammt noch mal so aus, als hätte dieser Heini versucht, das Ding selbst aufzubekommen. Reibe ihm das unter die Nase.«
Madame Pomerol räusperte sich. »Aber Sie haben einige Dinge ausgelassen.«
Jack wünschte sich, er hätte die Fähigkeit, auf Befehl zu erröten. Aber wahrscheinlich wäre es bei diesem Licht ohnehin nicht zu erkennen gewesen.
»Welche zum Beispiel?«
»Dass Sie versucht haben, das Etui zu öffnen, und dabei keinen Erfolg
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