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HMJ06 - Das Ritual

HMJ06 - Das Ritual

Titel: HMJ06 - Das Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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der letzte Schrei.«
    »Was ist es?«
    »Gal meinte, etwas Indisches.«
    »Versteh ich dich richtig – indisch, nicht indianisch?«
    »Genau. Sie beschrieb es als Tee mit Milch, Zucker und irgendwelchen Gewürzen.«
    Genauso war es. Die Frau vor ihm in der Schlange hatte an diesem Vormittag einen Chai bestellt, und er hatte sich danach erkundigt. Er hatte gedacht, warum nicht, man sollte alles mal versuchen. Hauptsache, es lenkte ihn von Tara Portman und Gia und Duc Ngo und allen möglichen Verbindungen zwischen ihnen ab.
    »Ich hab dir eine Magerversion mitgebracht.«
    Abes Stirnrunzeln vertiefte sich. »Eine Magerversion?«
    »Das heißt, dass entrahmte Milch verwendet wird, und nicht die fette Sorte – ich weiß ja, dass du auf deine Linie achtest.«
    Ja, dachte Jack, indem du zusiehst, wie du mehr und mehr in die Breite gehst.
    Abe starrte weiter die Tasse an. Sie schien ihn hypnotisiert zu haben. »Wie buchstabiert man das?«
    »C-H-A-I.«
    Abe schüttelte den Kopf. »Du sprichst es völlig falsch aus.« Er wiederholte das Wort auf seine eigene Art und Weise und verhärtete das »ch« zu einem rauen Laut, der ganz hinten in seiner Kehle gebildet wurde. »Wie Chaim oder Chaya oder Chanukka.«
    »Das klingt aber nicht so wie bei der Frau, die mir das Getränk verkauft hat.«
    Abe zuckte die Achseln. »Ist ja auch egal. Und warum soll ich das trinken?«
    »Ich hab gelesen, es sei das neue Lieblingsgetränk der coolen, modernen, intellektuellen Klasse. Und ich wollte auch mal cool, modern und intellektuell sein.«
    »Dafür brauchst du aber mehr als nur ein Getränk. Was ist in der anderen Tüte, die du mitgebracht hast? Die unten auf dem Boden steht?«
    »Ist im Augenblick nicht so wichtig.« Jack hob seine Tasse. »Lass uns mal kosten. Prost Chai.«
    Abe hob seine Tasse ebenfalls. »Lochai.«
    Jack nahm einen Schluck, ließ ihn um die Zunge kreisen und schaute sich nach einer Möglichkeit um auszuspucken. Als er nichts dergleichen fand, schluckte er.
    Abes säuerlicher Gesichtsausdruck spiegelte Jacks eigene Empfindungen wider. »Wie ein Unfall in einer Gewürzfabrik.«
    Jack nickte, während er seinen Becher wieder mit dem Deckel verschloss. »Nun, da ich Chai probiert habe, kann ich dir verraten, dass ich mich cool und modern fühle, aber intellektuell, wie ich bin, denke ich darüber nach, wie jemand scharf darauf sein kann, ein solches Zeug zu trinken.«
    Abe reichte Jack seinen Becher. »Versuch, dein Geld zurückzukriegen. In der Zwischenzeit hoffe ich, dass in der zweiten Tüte das ist, was viel besser zu dieser Uhrzeit passt.«
    Jack hob die Tüte und zauberte zwei Becher Kaffee daraus hervor. »Nur für den Fall, dass dieser Chai ein Schlag ins Wasser war.«
    Jack trank einen Schluck, um sich den Chaigeschmack aus dem Mund zu spülen, dann beugte er sich über die jüngste Ausgabe der Post und blätterte sie auf der Suche nach einem bestimmten Namen durch.
    »Hast du irgendeine Meldung über Carl und Elizabeth Foster oder Madame Pomerol gesehen?«
    »Die Wahrsagerin?« Abe schüttelte den Kopf. »Heute gibt es von keinem der beiden irgendwelche Neuigkeiten.«
    Jack schlug die Zeitung zu. »So bald habe ich allerdings auch nicht damit gerechnet.« Er trank seinen Kaffee und genoss das altvertraute Aroma. »Ist dir schon irgendwas eingefallen, wie man aus mir einen ganz normalen Bürger machen kann?«
    »Noch nicht, aber ich arbeite daran.«
    Jack erzählte Abe von seiner Idee, die Identität eines Toten anzunehmen.
    Abe hob die Schultern. »Dieser Plan klingt nicht schlecht, aber stell dir vor, eine Schwester, die eine Ewigkeit in der Versenkung verschwunden war, will plötzlich ihren Bruder besuchen. Was machst du dann?«
    »Improvisieren.«
    »Nicht so gut. Wenn dein Plan funktionieren soll, musst du einen Toten ohne irgendwelche Freunde oder Angehörige finden.«
    »Das wird schwierig.«
    Sehr schwierig sogar. So schwierig, dass Jack diesen Plan gleich wieder verwarf.
    Abe musterte ihn prüfend. »Wie fühlst du dich überhaupt bei der Vorstellung, aus deinem bisherigen Leben auszusteigen?«
    Jack zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es an der Zeit, diesen Schritt zu tun. Ich betreibe dieses Gewerbe seit Jahren, ohne umgebracht worden zu sein oder einen bleibenden Schaden davongetragen zu haben. Vielleicht sollte ich das als Zeichen betrachten, mein Glück nicht länger zu strapazieren und stattdessen Schluss zu machen. Ich hab ganz gut verdient und eine anständige Summe gespart.

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