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HMJ06 - Das Ritual

HMJ06 - Das Ritual

Titel: HMJ06 - Das Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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Vielleicht sollte ich meinen selbst gewählten Job an den Nagel hängen und die Früchte meiner Arbeit genießen.«
    »Noch vor deinem Vierzigsten? Was willst du mit so viel Zeit anfangen?«
    »Weiß ich noch nicht. Ich lass mir was einfallen. Hey, kannst du in deinem Laden kein Faktotum gebrauchen?«
    » Oy!«
    »Heißt das nein? Na schön, wie ist es denn mit dir, Abe? Was denkst du darüber, dass ich aussteigen will?«
    Abe seufzte. »Mit einer Vaterschaft am Horizont ist das eine gute Sache. Sogar längst überfällig.«
    Die Bemerkung überraschte Jack. Das war das Letzte, was er von Abe zu hören erwartet hatte.
    »Warum sagst du das?«
    »Weil du allmählich weich wirst.«
    Jack lachte. »Dieser Chai muss ein ziemlich starker Stoff sein. Er greift dein Gehirn an. Ich? Weich werden? Niemals.«
    »Du wirst es. Glaubst du, ich bin blind? Ich verfolge es schon länger. Sicher, es war und ist ein langsamer Prozess, aber er findet statt. Und zwar seit du und Gia wieder zusammengekommen seid. Das ist jetzt fast ein Jahr her, nicht wahr?«
    »In diesem Monat ist es genau ein Jahr.«
    »Siehst du? Ich habe Recht. Um einen Vergleich aus dem Tierreich zu gebrauchen: Vor dem letzten Sommer warst du eine Languste – eine zähe Languste.«
    »Und was bin ich jetzt? Eine Weichschildkröte?«
    »Quatsch! Lass mich ausreden. Jack die Languste machte auf Einzelgänger und hatte es sich in seinem Panzer häuslich eingerichtet. Da er stets alle Stacheln von sich streckte, sind die Leute auf Distanz zu ihm geblieben. Keiner wagte es, ihm zu nahe zu kommen. Er war gefährlich wie eine hoch sensible Tretmine …« Abe zuckte wieder die Achseln, wobei er die Handflächen nach oben drehte und den Mund abschätzig verzog. »Nun jedoch, so wage ich zu behaupten, hast du in deinem Panzer ein paar Fenster geöffnet. Du blickst hinaus und denkst in längeren Zeitabschnitten. Das ist die Folge der Liebe einer guten Frau.«
    Jack lächelte. »Das ist sie wirklich.«
    »Bis Gia kam, hattest du niemanden, um den du dich sorgtest. Du warst der reinste Draufgänger. Absolut unerschrocken, hart gegen dich selbst und brutal gegen andere. Jetzt hingegen gibt es jemanden, zu dem du gerne möglichst heil zurückkommen möchtest, eine Frau, von der du weißt, dass sie auf dich wartet. Das ändert alles. Und es macht dich vorsichtiger.«
    »Vorsichtig war ich doch immer. Das ist in meinem Gewerbe geradezu lebenswichtig.«
    »Aber man kann auch zu vorsichtig sein«, wandte Abe ein. »Und deshalb bin ich froh, dass du aussteigen willst. Denn ein Kind zu haben, macht dich am Ende zu vorsichtig.«
    »So etwas wie ›zu vorsichtig‹ gibt es nicht.«
    »Bei deiner Art von Tätigkeit schon. Ich kenne dich, Jack. Sobald das Kind geboren ist, wird es der Mittelpunkt deiner Welt sein. Du wirst dich für sein Wohl und sein Wohlergehen verantwortlich fühlen. Mehr als nur verantwortlich. Du wirst geradezu besessen sein. Du wirst ständig für das Kind da sein wollen, wirst dich bemühen, jeden Abend unversehrt nach Haus zurückzukommen, damit es nicht ohne einen Vater aufwachsen muss. Das wird letztlich zur Folge haben, dass du einfach zu vorsichtig wirst. Schließlich wird es so weit kommen, dass du in Situationen zögerst, in denen ein solches Zögern das glatte Todesurteil wäre. Ich werde den alten Handyman Jack vermissen, aber wenigstens wird der neue Daddyman Jack noch am Leben sein, um gelegentlich zum Frühstück vorbeizukommen und vielleicht auch mal seinen Nachwuchs mitzubringen.«
    »Ich glaube, du übertreibst ein wenig, meinst du nicht?«
    Abe schüttelte den Kopf. »Falls du die Art von Aufträgen, die du gewöhnlich annimmst, nicht ganz drastisch einschränkst – Aufträge, deren Ausführung für dich nicht besonders angenehm ist –, wette ich, dass du das Jahr, nachdem dein Baby geboren wurde, wohl kaum überleben wirst.«
    Jack wurde still und dachte über die Worte seines Freundes nach. Er akzeptierte es nicht, glaubte es einfach nicht. Doch es erschütterte ihn, begreifen zu müssen, dass Abe es glaubte.
    Auf lange Sicht, was machte es schon aus? Er würde aussteigen. Er würde das Leben eines ganz normalen Menschen führen. Er wäre Bürger Jack.
    Allein der Gedanke daran verursachte ein unangenehmes Rumoren in seinen Eingeweiden. Dieses Leben, das er bisher geführt hatte, hatte mehr als eine vertretbare Anzahl haarsträubender Momente für ihn bereitgehalten Und ständig unterhalb der Radarerfassung zu fliegen, konnte manchmal ziemlich

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