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HMJ06 - Das Ritual

HMJ06 - Das Ritual

Titel: HMJ06 - Das Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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eine entsetzliche Katastrophe im Anmarsch ist.«
    »Lobet den Herrn!«, rief Charlie, dessen Augen wieder leuchteten. »Das ist die Verzückung! Du hast den Augenblick des Glücks gesehen! Wenn Gott die Gläubigen in den Himmel aufnimmt und den Rest in ewiger Finsternis zurücklässt! Diese Klienten, die du berührt hast, Lyle, sie gehören nicht zu den Geretteten – wenn sie es täten, würden sie sich nicht mit irgendwelchen Geistmedien abgeben. Du hast verlorene Seelen gesehen, Lyle.«
    »Wenn du das unbedingt glauben willst …«
    »Das Ende ist nahe! Reverend Sparks spricht ständig davon, dass alles auf ein nahes Ende hindeutet! Lobet den Herrn, er hat Recht!« Er streckte die Hände aus. »Da, Bruder. Berühre mich!«
    Lyle machte keinerlei Anstalten, der Aufforderung zu folgen. Im Gegenteil, er schien sich regelrecht in sich selbst zu verkriechen. »Hey, Charlie, ich glaube, das tue ich nicht. Außerdem warst du es doch, der niemals an dieses Zeug geglaubt hat!«
    »Wer kennt schon die Wege Gottes?« Charlie ging auf seinen Bruder zu. »In der Bibel steht, dass die Toten aus den Gräbern aufstehen, wenn das Ende naht. Vielleicht ist dies schon der Anfang. Komm her, Lyle. Berühre mich!«
    Jack verfolgte, wie Lyle zögerte, dann nach der ausgestreckten Hand seines Bruders griff. Eine Ahnung höchster Gefahr durchlief ihn, drängte ihn, Lyle zurückzuhalten, ihn zu warnen, es nicht zu tun. Doch er verkniff sich seine Reaktion. Lyle und Charlie waren Brüder. Was konnte schon passieren? Welcher Schaden konnte entstehen?
    Lyles Finger umschlossen Charlies Hand. Die beiden blickten einander in die Augen.
    »Nun?«, fragte Charlie.
    Lyles Mund bewegte sich, dann stieß er einen gequälten Schrei aus. Seine Augen verdrehten sich, während er auf die Knie sank und heftig hustete. Mit der freien Hand fasste er sich an den Hals, als glaubte er zu ersticken.
    »Lassen Sie los!«, brüllte Jack Charlie an.
    »Ich kann nicht!« Charlies Augen hatten einen wilden Ausdruck, während er an Lyles Fingern zerrte und versuchte, sie zu lösen. »Er zerquetscht meine Hand!«
    Lyle zuckte und wand sich. Er sah aus wie jemand, der den Todeskampf ausfocht. Es war beängstigend. Jack machte Anstalten, Charlie dabei zu helfen, den Kontakt zu unterbrechen, als Lyle sich schlagartig beruhigte. Sein heftiges Atmen setzte für qualvolle Sekunden aus, dann rang er hustend nach Luft. Schließlich ließ er Charlies Hand los und sank vollends entkräftet zu Boden.
    Jack beugte sich über ihn. »Lyle! Lyle! Können Sie mich hören?«
    Lyle wälzte sich schwerfällig auf den Rücken und schlug die Augen auf. Sie waren blutunterlaufen, starrten ins Leere. Dann blinzelte Lyle, schüttelte den Kopf, als wäre er soeben aus einer unendlich tiefen Höhle aufgetaucht. Sein Blick festigte sich und richtete sich auf seinen Bruder, der starr vor Schreck vor ihm stand.
    Charlies Stimme war kaum zu verstehen. »Lyle? Bist du okay?«
    »Dämliche Frage«, krächzte Lyle, während er sich auf einen Ellbogen stützte und halb aufrichtete. »Sehe ich okay aus?«
    Während er sich aufrichtete, schmatzte er, streckte immer wieder die Zunge heraus und zog sie zwischen den Zähnen zurück in den Mund.
    »Was ist los?«, wollte Jack wissen.
    »Ich habe einen ganz widerlichen Geschmack im Mund. Als hätte ich Erde gefressen.«
    »Schlimm, nicht wahr?«, sagte Charlie mit ungewohnt zaghafter Stimme.
    Lyle zog die Beine an und bettete den Kopf mit der Stirn auf die Knie. »Es fing ganz schrecklich an, das kann ich euch flüstern. Erst war es total verschwommen, und dann hatte ich kurz das Gefühl zu ersticken, wirklich und wahrhaftig zu Tode gewürgt zu werden – doch dieses Gefühl ging bald vorbei. Danach war alles immer noch völlig unklar, und es herrschte ein großes Durcheinander. Danach aber gelangte ich zu der gleichen gierigen Finsternis, die ich bei den anderen gesehen hatte.« Er blickte zu seinem Bruder hoch. »Aber wir kommen durch, wir beide. Jedenfalls scheint es so, denn wenn alles vorüber ist, sind wir noch immer zusammen.«
    »Lobet den Herrn!«, sagte Charlie, jetzt mit deutlich kräftigerer Stimme. »Das kann nur heißen, dass du vor der Verdammnis gerettet wurdest.« Er hob die Arme und blickte nach oben. »Gott, du bist so großartig und gütig, dass du Gnade hast mit meinem Bruder und mir.«
    Lyle schaute seinen Bruder an, seufzte, dann reichte er Jack die Hand, damit dieser ihm beim Aufstehen half.
    Jack zögerte. »Sind Sie sicher, dass

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