HMJ06 - Das Ritual
Kombination aus Zeremonie und jenen seltsamen Steinen, mit denen der Keller ausgekleidet war, das Anwesen vielleicht mit einem Fluch belegt hatte.
»Das andere, weshalb ich mir Sorgen mache«, sagte Adrian, »ist dieser Schlüsselanhänger.«
»Das tue ich auch, Eli.« Strauss tippte Eli auf die Schulter. »Er bringt Sie mit dem Mädchen in Verbindung, und über Sie kommt man auch gleich zu mir. Das ist nicht gut. Ganz und gar nicht gut.«
Adrian blieb vor einer roten Ampel stehen. Er starrte unverwandt geradeaus, während er redete. »Ich habe die schrecklichsten Albträume gehabt, dass so etwas irgendwann passieren würde, und zwar wegen dieses Trophäenschranks, der ganz offen in deinem Laden herumsteht, wo ihn jeder sehen kann. Ich war schon immer der Meinung, dass es sehr riskant ist … und verdammt arrogant.«
Eli starrte ihn an. Hatte er gerade richtig gehört? Hatte Adrian, der ihm trotz seiner Kraft und seiner imposanten Größe stets unterwürfig begegnete, tatsächlich gewagt, ihn als arrogant zu bezeichnen? Er musste furchtbar wütend und völlig verängstigt sein.
Arrogant? Eli brachte es nicht fertig, zornig zu sein. Adrian hatte Recht. Die Vitrine in den Laden zu stellen, war wirklich arrogant gewesen und sogar tollkühn. Aber nicht halb so arrogant und tollkühn wie das, was Eli am Samstag getan hatte.
Vielleicht waren die ungebetenen Gedanken an Tara Portman am vorangegangenen Abend der Auslöser gewesen, vielleicht war es nicht mehr als reine Langeweile gewesen. Was auch immer der Grund gewesen war, Eli hatte einem Drang nachgegeben, mit seiner Unverwundbarkeit zu prahlen. Daher hatte er am Samstagnachmittag jemandem erzählt, dass er Hunderte von Kindern getötet hätte und dass ein weiteres beim nächsten Neumond sterben würde, und das hatte er nur gesagt, um den Betreffenden herauszufordern, etwas dagegen zu unternehmen.
Eli gestattete sich ein flüchtiges Lächeln. Adrian würde vor Angst in die Hosen machen, wenn Eli ihm das offenbarte.
Stattdessen sagte Eli: »Sei es, wie es sei, der Trophäenschrank hat nichts mit unserer augenblicklichen Misere zu tun.«
Strauss lehnte sich zurück und nahm wieder seine entspannte Lümmelhaltung auf der Rückbank ein. »Vielleicht hat er es, vielleicht auch nicht, auf jeden Fall war es keine allzu gute Idee. Diese Art von dreister Mir-kann-keiner-was-anhaben-Demo bedroht uns alle. Ihnen macht das vielleicht nichts aus, uns anderen aber schon.«
»Ich habe Verständnis dafür und werde in Zukunft versuchen, auf Ihre Gefühle Rücksicht zu nehmen«, versprach Eli. Falls der Zirkel überhaupt noch eine Zukunft hatte.
Sie fielen wieder in Schweigen, während sich der Wagen in den fließenden Verkehr einfädelte. Dann räusperte sich Adrian.
»Eli, bin ich der Einzige, der darüber besorgt ist, dass dir Tara Portman am Freitag aus keinem besonderen Grund in den Sinn gekommen ist und dass am Samstag dieser Fremde in deinem Laden erschien und versucht hat, den Schlüsselanhänger zu kaufen? Dann greift uns jemand – wahrscheinlich derselbe Mann – am Montagabend an und stiehlt am Dienstag Taras Schlüsselanhänger. Und heute behauptet er, dass Tara ›zurückgekommen‹ ist – was immer das bedeutet. Könnte er sie am Freitagabend zurückgeholt haben?«
»Sie ist nicht zurück!«, sagte Eli, wobei er unwillkürlich die Stimme hob.
»Warum hast du dann von allen möglichen Lämmern ausgerechnet an Tara Portman gedacht?«
»Um welche Uhrzeit geschah das?«, fragte Strauss, beugte sich wieder vor und verpestete erneut mit seinem Atem die Luft über den Vordersitzen. »Dass Sie an sie dachten, meine ich.«
»Keine Ahnung. Ich habe nicht auf die Zeit geachtet. Spät, würde ich sagen.«
»Wissen Sie, was sonst noch am Freitag passierte? Das Erdbeben?«
Eli erinnerte sich, etwas darüber gelesen zu haben. »Ich habe nichts davon gespürt.«
»Aber die Einheimischen haben es. In der Zeitung stand, das Zentrum wäre in Astoria gewesen.«
»Du liebe Güte«, flüsterte Adrian.
»Ich bitte dich«, sagte Eli. »Du kannst doch nicht ernsthaft annehmen, dass das eine mit dem anderen etwas zu tun hat. Das ist absurd!«
Aber war es das wirklich? Eli hatte das Gefühl, ein eisiger Hauch würde durch die Kammern seines Herzens wehen. Er konnte nicht ausdrücken, wie sehr ihn das Szenario, das Adrian und Strauss beschrieben, beunruhigte. Es steigerte nur sein Empfinden, wie ausschließlich er der Willkür des Schicksals wie auch den Mächten der Natur
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