HMJ06 - Das Ritual
der Upper East Side – auch bekannt als »Madame Pomerols Tempel der Ewigen Weisheit« förderte nicht nur weiteres Falschgeld im Wert von mehreren tausend Dollar zu Tage, sondern lieferte unwiderlegbare Beweise dafür, dass dieses prominente parapsychologische Medium nicht mehr ist als eine gewöhnliche Betrügerin.
Jack musste grinsen, als er den Artikel weiterlas, in dem sämtliche »Zusatzeinrichtungen« ausführlich beschrieben wurden, die er teilweise selbst in Betrieb erlebt hatte: die Abhöreinrichtungen in ihrem Wartezimmer, die drahtlosen Ohrhörer in ihren Kopfbedeckungen, die Monitorschirme, die Geheimtüren und – am allerschlimmsten – die Akten über ihre Klienten, die mit Fotokopien von Führerscheinen, Sozialversicherungsausweisen, Bankkontoauszügen und umfangreichen Notizen inklusive stellenweise beleidigenden Kommentaren über ihre Schwächen, Vorlieben und Laster gefüllt waren. Infolgedessen bereitete der Bezirksstaatsanwalt von Manhattan zusätzlich zur bundesgerichtlichen Anklage wegen Verbreitung von Falschgeld eine Anklage wegen Betrugs und Verschwörung zu gemeinschaftlich begangener Steuerhinterziehung vor.
»Sie sind geliefert!«, freute sich Lyle. »Weg vom Fenster! Abserviert! Finito! Nicht mehr lange, und Madame Pomerol liest entweder in Rykers oder in irgendeinem anderen Bundesgefängnis ihren Mithäftlingen für ein paar Zigaretten aus der Hand! Ist das Ihr Werk?«
»Könnte schon sein.«
»Auch das Falschgeld? Wie haben Sie das denn geschafft? Haben Sie es ihnen untergeschoben?«
»Ich fürchte, das ist ein Berufsgeheimnis.«
»Sie haben es geschafft, Jack!«, sagte Charlie und grinste zum ersten Mal an diesem Vormittag. »Sie haben sie erwischt!«
Jack zuckte die Achseln. »Manchmal läuft alles nach Plan, manchmal nicht. Diesmal ist alles nach Plan gelaufen.«
Er betrachtete den Artikel und genoss das Gefühl der Zufriedenheit über einen in jeder Hinsicht erfolgreich erledigten Job. Er hatte von Anfang an geplant, die Fosters aus dem Verkehr zu ziehen, und er war sich sicher gewesen, dass es ihm früher oder später gelingen würde. Nun konnte er sich freuen, dass es schon früher dazu gekommen war.
Der große Unsicherheitsfaktor war in diesem Fall die Frage gewesen, was sie mit dem Geld taten, das sie bar erhielten. Zahlten sie es auf ein Konto ein und bezahlten sie mit Schecks, oder gaben sie es direkt aus? Jack hatte mit Letzterem gerechnet. Angesichts ihrer reichlichen Einnahmen – und zwar Bargeld, keine Schecks oder Kontoüberweisungen –, die sie wahrscheinlich nicht ordnungsgemäß verbuchten, bezahlten sie bei ihren Einkäufen höchstwahrscheinlich in bar, um so wenig Spuren wie möglich zu hinterlassen, für den Fall, dass die Finanzbehörden sie genauer unter die Lupe nehmen sollten.
Lyle klopfte Jack auf die Schulter. »Erinnern Sie mich daran, Jack, dass ich mich niemals mit Ihnen anlege. Es tut ganz sicher nicht gut, es sich mit Ihnen zu verderben.«
Wenn es nach Jack ging, dann würde auch Eli Bellitto das schon bald zu spüren bekommen. Und zwar erheblich drastischer.
Während sie in den Keller zurückkehrten, nahm Jack eine weitaus bessere Stimmung wahr als zu Beginn ihrer Pause. Sie holten sich ihre Spitzhacken, nahmen die Zementplatte wieder vereint in Angriff und warfen die abgebrochenen Trümmer auf den Haufen mit den Überresten der Holztäfelung.
Gegen Mittag hatten sie die Zementplatte etwa zur Hälfte zerschlagen. Nachdem jeder in einem griechischen Restaurant auf der Ditmars eine Portion saftiges Gyros verzehrt hatte, kehrten sie an ihre Arbeit zurück.
»Wisst ihr was?« Lyle betrachtete die Baustelle, die früher der Keller seines Hauses gewesen war. »Ich glaube, zwei von uns sollten schon mal anfangen, sich ins Erdreich zu graben, während sich der Dritte weiter mit der Zementplatte beschäftigt.«
Jack bohrte die Schuhspitze in die festgestampfte rötlich braune Erde. Sie wirkte um keinen Deut weicher als der Zement.
»Sie meinen, wir sollten schon mal anfangen, Tara zu suchen?«
»Genau. Je eher wir sie finden, desto eher können wir aufhören, den Bautrupp vom Dienst zu mimen, und wieder Gentlemen mit gehobener Lebensart sein.«
»Woher wissen wir, dass sie es ist, wenn wir etwas finden?«
Lyle starrte auf das Erdreich. »Glauben Sie noch immer, dass sie da unten Gesellschaft hat?«
»Darauf gehe ich jede Wette ein.«
»Nun, das werden wir sehen, wenn wir fündig geworden sind.« Lyle schaute zu Jack hoch. »Was
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