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HMJ06 - Das Ritual

HMJ06 - Das Ritual

Titel: HMJ06 - Das Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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konnte, und dennoch … woher wusste der Mann über Tara Bescheid?
    Die Frage hatte Eli gequält, bis er dem Antrieb nachgegeben hatte, zu dem Haus zurückzukehren, in dem das Kind der Portmans gestorben war. Nur um es sich kurz anzusehen …
    »Ich halte das Ganze immer noch für eine verdammt dumme Idee«, sagte Strauss vom Rücksitz. »Dumm deshalb, weil die ganze Geschichte ein Trick sein kann, uns dazu zu bringen, an diesen Ort zurückzukehren. Was wir nun auch tatsächlich tun. Und dumm auch, weil Tara Portman nicht zurückgekehrt ist und niemals zurückkehren wird. War es nicht so, dass wir ihr das Herz herausgeschnitten und verzehrt haben? Absolut unmöglich, dass das Kind wieder hier ist und seinen Schlüsselanhänger sucht.«
    Eli krümmte sich innerlich, als Strauss die Einzelheiten der Zeremonie wie selbstverständlich erwähnte. Eigentlich wurde darüber niemals offen gesprochen.
    »Zuerst einmal«, sagte Eli, »kehren wir nicht zu Dimitris Haus zurück, sondern wir fahren nur daran vorbei. So wie es viele Autos am Tag tun. Was diese andere Angelegenheit betrifft, so ist mir vollkommen klar, dass Tara Portman unmöglich zurückgekommen sein kann. Wir müssen jedoch irgendwie herausfinden, wie und woher dieser Mann von ihr erfahren hat.«
    »Das ist einfach«, sagte Strauss, in dessen Stimme immer noch ein scharfer Unterton mitschwang. Er beugte sich vor und schob den Kopf über die Rückenlehne des Vordersitzes. Sein Atem roch nach Knoblauch. »Jemand hat gequatscht.«
    »Niemand hat gequatscht«, widersprach Eli. »Ich habe mit unseren anderen Mitgliedern geredet, mit allen zehn, heute Nachmittag noch. Niemand wurde gekidnappt und gefoltert, bis er etwas gestanden hat. Allen geht es gut, und sie können es bis zur nächsten Zeremonie kaum erwarten. Und überlegt doch mal: Falls jemand geredet hat, warum ausgerechnet über Tara Portman? Warum nicht über das Lamm vom vergangenen Jahr oder von dem aus dem Jahr davor? Tara Portman liegt eine halbe Ewigkeit zurück.«
    »Eine berechtigte Frage«, meldete sich Adrian zu Wort. Er war den ganzen Tag schon auffällig schweigsam gewesen. »Aber sie war das erste Lamm, das wir in Dimitris Haus geopfert haben.«
    »Du hast Recht«, sagte Eli. »Und was seltsam ist: Erst neulich ist mir Tara Portman durch den Kopf gegangen.«
    Deshalb war er auch so geschockt gewesen, als der Fremde ihren Namen erwähnt hatte. Es musste ein Zufall sein, aber ein höchst seltsamer.
    »Tatsächlich?«, wunderte sich Adrian. »Warum ausgerechnet sie, von so vielen Lämmern?«
    »Diese Frage beschäftigt mich seit meinem Gespräch mit unserem Angreifer heute Nachmittag.«
    »Vielleicht weil dieser geheimnisvolle Kerl versucht hat, den Schlüsselanhänger zu kaufen.«
    »Nein, das war nicht der Grund. Zu dem Zeitpunkt hatte ich längst vergessen, wem dieser Schlüsselanhänger gehörte. Um ganz ehrlich zu sein, ich glaube, ich könnte viele der Souvenirs in dieser Vitrine ihren ursprünglichen Besitzern gar nicht mehr zuordnen. Und außerdem hatte ich schon Tage vorher an Tara Portman gedacht.«
    »Wann?«, wollte Strauss wissen.
    »Am Freitagabend.«
    Er erinnerte sich, dass er im Bett gelesen – Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit – und sich schläfrig gefühlt hatte, als sie ihm plötzlich in den Sinn kam. Ein kurzer Eindruck von ihrem Gesicht, ruhig und entspannt im Zustand tiefer Betäubung, und dann ihr dünner, bleicher, fast durchscheinender Körper, reglos auf dem Tisch liegend und auf die Liebkosung durch Elis Messer wartend. So schnell, wie die Erinnerungen sich gemeldet hatten, waren sie dann auch wieder verflogen. Eli hatte sie als zufällige Reminiszenzen, vielleicht durch die Sprache Prousts ausgelöst, abgeschrieben.
    »Das ist das Haus«, meldete Adrian.
    Sie verfielen in Schweigen, während sie am Menelaus Manor vorüberrollten. Es brannte Licht. Wer war dort zu Hause?
    Mit einem Anflug von Melancholie erlebte Eli einen Proust’schen Moment, als ihn die Erinnerung an Dimitri Menelaus überfiel, jenen brillanten, besessenen, gequälten Mann, den er damals in den achtziger Jahren in den Zirkel aufgenommen hatte.
    Dimitri war als ganz gewöhnlicher Kunde in Elis Laden gekommen, doch schon bald erwies er sich als Mensch mit einem wachen und kritischen Auge für das Seltene und Geheimnisvolle. Er begann, auf Quellen hinzuweisen, wo Eli noch seltenere und ungewöhnlichere Objekte bestellen konnte. Er und Eli lernten sich im Laufe der Zeit immer besser

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