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HMJ06 - Das Ritual

HMJ06 - Das Ritual

Titel: HMJ06 - Das Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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hielt ihre Tochter auf Armeslänge von sich. »Was habe ich?«
    »Trennungsangst. Darüber habe ich was im Lagerprospekt gelesen.«
    »Aber die solltest du haben, nicht ich.«
    »Ich hab sie auch. Ich habe Angst, dass du weinst, wenn ich verreise.«
    »Das tue ich nicht. Versprochen.«
    Noch ein Kuss und eine lange Umarmung – oh, wie sie diese kleine Achtjährige liebte, die sich manchmal benahm, als wäre sie vierzig – und dann trat Gia zurück in die Gruppe der anderen Eltern.
    Keine Tränen, sagte sie sich, während sie zusah, wie Vicky in den wartenden Bus stieg. Es würde sie nur aufregen.
    Sie und Vicky waren mit dem Taxi zum Treffpunkt in der Nähe der UN Plaza gefahren, wobei Vicky ununterbrochen geplappert hatte. Das war ganz gut so, denn Gia fühlte sich an diesem Morgen nicht so toll. Ihr war etwas übel. Wahrscheinlich die Nerven, weil Vicky alleine verreisen würde. Oder gab es vielleicht noch eine andere Ursache?
    Die Nerven, sagte sie sich. Die müssen es sein.
    Was immer die Ursache sein mochte, die holprige Taxifahrt war keine Hilfe gewesen. Voller Vergnügen hatte sie zugehört, wie Vicky erzählte, es kaum erwarten zu können, im Camp endlich mit Ton auf der Töpferscheibe zu arbeiten. Im vergangenen Jahr sei sie dazu noch zu jung gewesen.
    Gia hatte ihre Gefühle recht gut im Griff, bis Vicky einen Fensterplatz fand und ihr zuwinkte. Gia sah das dunkle Haar, das sie an diesem Morgen zu einem French Twist geflochten hatte, sah das strahlende Lachen und die funkelnden blauen Augen und hätte ihren Gefühlen fast schon nachgegeben. Doch sie zwang sich tapfer zu einem Lächeln und blinzelte krampfhaft, um die Tränen zurückzuhalten.
    Was bin ich eigentlich für eine Mutter? Sie ist erst acht, und ich schicke sie für eine Woche weg zu Fremden. Ich muss völlig verrückt sein!
    Aber Vicky liebte die Kunstfreizeit im Ferienlager. Sie hatte es im vergangenen Jahr ein paar Tage lang ausprobiert und hatte diesmal richtig darum gebettelt, eine ganze Woche bleiben zu dürfen. Gia wusste, dass sie eine Menge Talent hatte, und wollte ihr jede Gelegenheit geben, es zu fördern.
    Aber eine ganze Woche in den Catskills – das war eine Ewigkeit.
    Die Tür schloss sich, der Motor heulte auf und der Bus fuhr los. Gia winkte, bis er nicht mehr zu sehen war, dann gestattete sie sich den Luxus einiger Tränen, die sie verstohlen wegwischte. Dabei schaute sie sich um und stellte fest, dass sie an diesem schwülen Sommervormittag nicht die Einzige war, die feuchte Augen hatte.
    Sie beschloss, zu Fuß nach Hause zu gehen. Es war nicht sehr weit, und ein wenig Bewegung würde ihr sicher gut tun.
    Außerdem … sie musste unterwegs noch etwas Wichtiges erledigen.
    Eine halbe Stunde später stand Gia vor dem altmodischen Porzellanwaschbecken im Badezimmer im ersten Stock und starrte auf den dritten Schwangerschaftstest, den sie in der letzten Viertelstunde vorgenommen hatte.
    Negativ. Genauso wie die anderen beiden.
    Aber sie fühlte sich schwanger. Deshalb hatte sie Selbsttests von drei verschiedenen Herstellern besorgt, nur um ganz sicherzugehen.
    Sie teilten ihr alle das Gleiche mit, doch das änderte nichts daran, wie sie sich fühlte.
    Das Telefon klingelte. Vorstellungen von einem Verkehrsunfall mit dem Bus – Vicky schwer verletzt – zuckten durch ihren Kopf, und sie riss den Hörer von der Gabel.
    »Gia!«, meldete sich eine vertraute Stimme. »Ich bin’s, Junie!« Sie klang aufgeregt und voll überschäumender Freude.
    »Oh, hallo. Hast du dein Armband …?«
    »Genau deshalb rufe ich an! Als ich heute Nacht nach Hause kam, bin ich sofort zur der blauen Blumenvase neben der Tür gegangen und habe sie umgekippt. Möchtest du wissen, was herausgefallen ist?«
    »Verrat’s mir nicht – das Armband?«
    »Ja!« Sie lachte. »Genauso, wie Ifasen es prophezeit hat! Ich konnte es nicht fassen! Ich bin in letzter Zeit überhaupt nicht in der Nähe dieser Vase gewesen! Ich weiß nicht, wie das Armband dort hineingelangt ist. Aber ich war so glücklich, dass ich fast geweint habe. Ist er nicht einfach sensationell?«
    Gia antwortete nicht, sondern dachte an das, was Jack ihr erzählt und was er über Ifasens Zettellesetrick gesagt hatte. Schön und gut, aber wie würde er dies erklären? Gia wollte nicht glauben, dass es mehr als nur eine bloße Vermutung war, als Ifasen meinte, sie hätte …
    O Gott! Er hatte prophezeit, sie würde zwei Kinder haben … Und da stand sie und fühlte sich schwanger.
    »Hey, Gia«,

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