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HMJ06 - Das Ritual

HMJ06 - Das Ritual

Titel: HMJ06 - Das Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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Immobilienmakler erklärten, die Mieten wären nach dem Anschlag auf das World Trade Center in den Keller gegangen, aber für die Räumlichkeiten, die wir brauchten, waren sie noch immer zu hoch.«
    »Sie meinen, für Ihre geplante Kirchengemeinde.«
    Aus Charlies unbehaglichem Gesichtsausdruck und aus der Art und Weise, wie er seine wwjd-Anstecknadel nervös befingerte, schloss Jack, dass er einen wunden Punkt getroffen hatte.
    »Was glauben Sie, wann Sie Ihre Glaubensgemeinschaft aufgebaut haben werden?«
    »Ich hoffe, niemals«, sagte Charlie und starrte Lyle wütend an. »Denn das wäre der Augenblick, in dem ich meine Siebensachen packen und verschwinden würde.«
    »Lass uns nicht jetzt wieder davon anfangen, okay?«
    Jack versuchte, die plötzlich einsetzende Anspannung zu lockern, indem er mit einer ausholenden Geste auf das Hausinnere deutete. »Also sind Sie losgezogen und haben dieses Haus im Dschungel von Queens gefunden.«
    »Ja. Es reizte mich wegen seiner wechselvollen Geschichte auf Anhieb. Und wegen ebendieser Geschichte war auch der Preis recht erträglich.«
    »Demnach sind die Morde, die in Ihrer Broschüre beschrieben werden, tatsächlich begangen worden?«
    Charlie nickte. »Ausnahmslos. Dieses Anwesen hat eine ziemlich düstere Vergangenheit.«
    »Schön. Aber das dicke Geld findet man entweder in Manhattan oder im Nassau County, stattdessen sitzen Sie im Niemandsland dazwischen. Wie bringen Sie die betuchten Spiritismusfreaks dazu, den weiten Weg bis hierher zurückzulegen?«
    Jack erkannte eine Mischung aus Stolz und Belustigung in Lyles Grinsen.
    »Zunächst ist der Weg gar nicht so weit und beschwerlich. Wir liegen sehr günstig zur Triboro Bridge, zum Queens-Midtown Tunnel, zur 59th Street Bridge, zum BQE und zum LIE. Aber der größte Anreiz, hierher zu kommen, bestand für sie darin, dass ihnen jemand riet, sich von uns möglichst fern zu halten.«
    »Erklären Sie mir das«, bat Jack.
    »Bevor ich hierher kam, habe ich als Medium in einer anderen Stadt praktiziert«, berichtete Lyle und lehnte sich zurück. »Fragen Sie mich nicht, in welcher, denn das werde ich Ihnen auf keinen Fall verraten. Dort gab es auch eine ziemlich umfangreiche Adventistengemeinde.«
    »Die die Auffassung vertritt, dass Spiritismus eine Sünde ist.«
    »Noch schlimmer. Sie behaupten, der Spiritismus sei ein Werk des Satans und stelle eine direkte Verbindung mit dem Gehörnten dar. Sie klebten in der ganzen Stadt Plakate, auf denen die Öffentlichkeit vor mir gewarnt wurde. Sie gingen sogar so weit und demonstrierten an einem Sonntag vor meinem Haus. Ich hatte anfangs große Angst und war reichlich verunsichert …«
    »Aber höchstens zehn Minuten lang«, warf Charlie ein.
    »Stimmt. Bis mir die Erleuchtung kam, dass dies vielleicht das Beste war, das mir hatte passieren können. Ich benachrichtigte sofort die örtlichen Zeitungen und Fernsehstationen. Damals wünschte ich mir, sie hätten sich für ihre Protestversammlung einen Samstag ausgesucht, aber samstags feiern sie ihren Sabbat – doch die Medien erschienen trotzdem, und das Ergebnis war eine erstaunliche Publicity. Die Leute fragten: ›Was ist dran an diesem Ifasen, das die Adventisten derart aufregt und auf die Straße treibt? Er scheint wirklich etwas Besonderes zu sein.‹ Ich kann Ihnen flüstern, das Geschäft lief wie geschmiert.«
    Jack nickte. »Demnach waren Sie in Boston sozusagen geächtet. Das funktioniert fast immer.«
    »Nicht in Boston«, sagte Charlie. »In Dearborn.« Er sah zu Lyle und stellte fest, dass sein Bruder ihn wütend anfunkelte. »Ist was?«
    Jack lehnte sich zurück und verkniff sich ein Grinsen. Demnach kamen die Kenton-Brüder aus Michigan. Im Spiritistengewerbe versuchte man, von sich selbst so viel wie möglich im Verborgenen zu halten, was vor allem dann ratsam war, wenn man unter einem Fantasienamen auftrat. Aber auch deshalb, weil zahlreiche selbst ernannte Medien bereits ein ansehnliches Vorstrafenregister aufwiesen – vor allem wegen schwerer Bauernfängerei. Andere wiederum konnten auf eine Laufbahn als Zauberer und Gedankenleser zurückblicken, ehe sie begriffen, dass, solange man kein Superstar wie David Copperfield oder Henning war, das Vorführen von irgendwelchen Zaubertricks in Seanceräumen sich weitaus besser auszahlte als Auftritte in Cocktailbars oder bei Kindergeburtstagen.
    Er fragte sich, wie die Vorgeschichte der Kentons aussehen mochte.
    »Okay, das mag für Dearborn gelten«, sagte Jack, »aber

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