HMJ06 - Das Ritual
beiden ist er das technische Genie.«
Sieh mal an, dachte Jack. Endlich werden sie ein wenig zugänglicher. Hoffen wir, dass es so bleibt und wir endlich zu Potte kommen.
»Was tun Sie gegen die Vibrationen des Motors?«, wollte er von Charlie wissen.
»Dazu nehmen wir Dämmmaterial«, antwortete dieser. »Und zwar eine ganze Menge.«
»Clever«, sagte Jack anerkennend und stieß den Daumen nach oben. »Sehr hübsch.«
Charlies Grinsen verriet Jack, dass er einen neuen Freund gewonnen hatte.
Er ging zu den Fenstern und zog die Vorhänge beiseite. Jede Fensterscheibe war geborsten, und die Scherben waren nach innen geflogen, nicht hinaus. Aber die altmodischen Rahmen, die sie gehalten hatten, wirkten völlig unversehrt.
Er ging von Fenster zu Fenster. Ob sie nach vorn oder zur Seite oder nach hinten hinausgingen, bei allen sah es genauso aus.
Wie zum Teufel …?
Er wandte sich zu den Brüdern um und zuckte ratlos die Achseln. »Dafür hab ich keinerlei Erklärung.«
»Sie können uns nicht helfen?«, fragte Charlie.
»Das habe ich nicht gesagt. Ich habe keinerlei Erklärung für das, was passiert ist, aber ich kann versuchen, dafür zu sorgen, dass so etwas nicht noch einmal geschieht.«
»Wie?«, wollte Lyle wissen.
»Ich kann das Anwesen überwachen. Ich bin allerdings nur ein Ein-Mann-Betrieb. Ich werde mich draußen auf die Lauer legen, wenn es meine Zeit erlaubt, und für die übrige Zeit baue ich ein paar Kameras auf, die per Bewegungssensoren eingeschaltet werden.«
»Und warum nicht gleich eine Alarmanlage mit Bewegungsmelder?«, wollte Charlie wissen.
Lyle schüttelte den Kopf und knurrte: »Warum nicht gleich eine Selbstschussanlage?«
»Sie abzuschrecken, ist bei weitem nicht so wichtig, wie festzustellen, wer Ihre Peiniger sind. Sobald wir das wissen, hefte ich mich an ihre Fersen und mache ihnen mit Nachdruck klar, dass sie Sie in Ruhe lassen sollen.«
»Geniale Idee«, meinte Charlie in abfälligem Ton. »Angenommen, sie haben keine Lust, uns in Ruhe zu lassen?«
»Dann werde ich ziemlich drastisch dafür sorgen, dass sie Lust bekommen werden.«
»Und wie drastisch?«, fragte Lyle.
»Das ist mein Berufsgeheimnis. Dafür bezahlen Sie mich schließlich. Ich kann denen das Leben ganz schön sauer machen. Wenn ich mit diesen Leuten fertig bin, werden sie sich wünschen, Ihnen niemals in die Quere gekommen zu sein, mehr noch, sie wären froh, niemals von den Kenton-Brüdern gehört zu haben.«
Charlie grinste. »Das gefällt mir.«
Lyle runzelte die Stirn, dann sah er Jack fragend an. »Ich denke, wir sollten uns jetzt mal über Ihre Bezahlung unterhalten.«
8
Nachdem sie in die Küche umgezogen waren, wo sich Lyle und Jack ein Bier genehmigten und Charlie sich mit einer Flasche Pepsi begnügte, versuchte Lyle, Jacks Honorar runterzuhandeln, indem er von den hohen Kosten sprach, die er für die Renovierung des alten Gemäuers hatte aufbringen müssen, und von denen, die ihm nun für die neuerlichen Reparaturen entstünden. Jack nahm ihm das nicht ab, erklärte sich jedoch mit drei anstelle der sonst üblichen zwei Ratenzahlungen einverstanden: die Hälfte als Vorschuss, ein Viertel, sobald er die Übeltäter ausfindig gemacht, und den Rest, wenn er ihnen das Handwerk gelegt hätte.
Lyle erbat sich Bedenkzeit und meinte, er müsse sich erst mit Charlie beraten und ihre Finanzen überprüfen, ehe er eine Entscheidung treffen könne. Aber Jack spürte, dass die Entscheidung längst gefallen war. Er hatte den Auftrag.
Verdammt, es war ein gutes Gefühl, wieder zu arbeiten.
»Reden wir mal über den Gegner, mit dem wir es möglicherweise zu tun haben«, sagte Jack, während ihm Lyle ein frisches Heineken reichte. »Könnte jemand aus der nächsten Umgebung dahinter stecken? Irgendwelche hiesigen Leute?«
Lyle schüttelte den Kopf. »Auf der Steinway residiert eine alte Zigeunerin, die aus der Hand und aus Kaffeesatz liest und Karten legt, aber das ist auch schon alles. In Astoria wohnen eine Menge Muslime, wie Sie sicher wissen, und wenn man an den Islam glaubt, dann hat man mit Spiritismus nichts im Sinn.«
Jack vermutete, dass die Atmosphäre nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center dort ziemlich angespannt gewesen sein musste, doch das gehörte in die Zeit vor der Ankunft der Kentons.
Was Jack auf die Frage brachte, die ihn seit dem Vortag beschäftigte. »Warum haben Sie sich ausgerechnet in Astoria niedergelassen?«
»Manhattan ist zu teuer. Alle
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