HMJ06 - Das Ritual
mein Leben.«
»Sagen wir lieber, es ist Ihr Geschäft – von dem Sie wahrscheinlich gar nicht so schlecht leben. Aber Sie wussten sicherlich längst schon, dass ich Sie durchschaut hatte. Bestimmt haben Sie gestern gesehen, wie ich meinen Zettel markiert habe.«
Keine Reaktion. Die Kenton-Brüder gaben keinen Laut von sich.
Es wurde Zeit, ihnen ein wenig heftiger auf die Pelle zu rücken.
»Aber sagen Sie mal, wer von Ihnen ist denn nun in Junie Moons Apartment eingedrungen und hat ihr Armband versteckt?« Jack deutete auf den jüngeren Bruder. »Ich wette, es war Charlie. Hab ich Recht?«
Charlies Blick irrte zu seinem Bruder und wieder zurück, und Jack wusste, dass er ins Schwarze getroffen hatte.
»Sie beschuldigen uns einer kriminellen Tat«, stellte Lyle betont förmlich fest. Er presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, und seine Augen waren nur noch ein Paar schmaler Schlitze.
»Ich habe das Gleiche früher auch getan. Das Medium, für das ich damals arbeitete, hat mich ähnliche Aufträge ausführen lassen.« Es war die übliche Praxis: Man filzt die Handtasche des Fisches, den man ausnehmen will, fertigt ein Duplikat seines Hausschlüssels an und stattet seiner Wohnung einen Besuch ab, während niemand zu Hause ist. »Wenn es klappt, ist das schon die halbe Miete, nicht wahr?«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden«, sagte Lyle und spielte den Entrüsteten.
Jack versuchte es erneut. Er trat zurück und untersuchte die Deckenlampe.
»Haben Sie dort die Wanze versteckt? Die Lady, für die ich damals arbeitete, hatte das Wartezimmer total verwanzt und die Kunden, wie Sie sie nennen, belauscht, wenn sie dort herumsaßen. Aus diesen Gesprächen holte sie sich alle möglichen Informationen.«
Die Brüder schalteten wieder auf ahnungslos und schwiegen beharrlich.
»Hören Sie, Freunde«, sagte Jack, »wenn wir zusammenarbeiten wollen, müssen wir ganz offen und ehrlich zueinander sein.«
»Noch kann von Zusammenarbeit keine Rede sein.«
»Das stimmt allerdings. Wie wäre es also, wenn ich mir mal ansehe, was mit Ihrem Channeling-Raum angestellt wurde?«
Lyle fixierte ihn. Sein Blick war wachsam.
»Vielleicht war das Ganze keine sehr gute Idee«, sagte Jack und ging zur Tür. »Sie haben schon etliches von meiner Zeit vergeudet. Ich sehe nicht viel Sinn darin, noch mehr Zeit für Sie zu opfern.«
»Warten Sie«, bat Lyle. Er zögerte kurz, dann seufzte er. »Okay, aber nichts von dem, was Sie hier sehen und hören, gelangt aus diesen Wänden nach draußen, einverstanden?«
»Betrachten Sie mich als Priester. Mit Alzheimer im Endstadium.«
Charlie quittierte diese Bemerkung mit einem Grinsen, das er allerdings mit einem Hustenanfall kaschierte. Sogar Lyles Lippen verzogen sich zum Anflug eines Lächelns.
»Na schön.« Er ging langsam zu der Tür, die zum Channeling-Raum führte. »Sehen Sie sich um.«
Jack schob sich zwischen den Brüdern hindurch, trat über die Schwelle und ging bis zur Mitte des Raums. Er konnte erkennen, dass einige der Statuen beschädigt waren, und bemerkte auch ein paar Lücken, wo vorher Spiegel gehangen hatten, aber alles in allem sah der Raum nicht allzu schlimm aus.
»Sie müssen wissen, dass wir den ganzen Nachmittag mit Aufräumen verbracht haben«, sagte Lyle. »Alles, was hier aus Glas bestand, wurde zertrümmert.«
»In unzählige Scherben«, sagte Charlie.
»Und wie? Mit einer Schrotflinte?«
Lyle schüttelte den Kopf. »Das wissen wir noch nicht.«
»Was dagegen, wenn ich mich mal umschaue?«
»Bitte sehr. Wenn Sie irgendeine Idee haben, lassen Sie sie hören.«
Jack ging hinüber zu dem eichenen Seancetisch. Er bückte sich und untersuchte die dicken Beine und die Klauenfüße.
»Da gibt es nichts Verdächtiges«, sagte Charlie. »Sie sollten sich mal die Fenster und die Spiegel ansehen, die …«
»Dazu komme ich noch.«
Er fand in einem der Tischbeine die Hebel. Er setzte sich und bediente die Hebel mit den Füßen, so dass der Tisch hin und her kippte. Er nickte anerkennend.
»Raffiniert.«
Er kontrollierte die Stühle und fand bei jedem einen stählernen Stab, in einem der Stuhlbeine verborgen.
»Wie funktioniert das? Im Sitz befindet sich ein kleiner Motor, der den Stab ausfahren lässt, nicht wahr? Wenn man den Motor mittels Fernbedienung einschaltet, sorgt er dafür, dass der Stuhl wackelt. Sehr schlau. Haben Sie beide diese Technik selbst entwickelt?«
Charlie sah zu Lyle, der abermals seufzte. »Das war Charlie. Von uns
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