Hochgefickt
Plan brachte. Glücklicherweise versetzte sie die Vorstellung, ein Enkelkind zu bekommen, aber dermaßen in Begeisterung, dass sie die Unannehmlichkeiten, die ihnen Lina Legrand bescherte, ziemlich geschmeidig wegsteckten.
Für Renate zum Beispiel war es mit Sicherheit ganz furchtbar, die tatsächlichen Wahrheiten hinter den Geschichten über mich, die in all den Gazetten ihres Salons landeten, zu kennen, aber nicht preisgeben zu dürfen. Sie hatte das zwar all die Jahre hervorragend durchgehalten, was ihren »Schwiegersohn« Ralf anging, aber da ging es ja auch um angenehme Lügen – sich jedoch nun stillschweigend ansehen zu müssen, wie ihre berühmte und beliebte Tochter begann, auf dem Zenit ihres Erfolges aktiv ihre öffentliche Demontage einzuläuten und sich ganz bewusst zur Zielscheibe von Hohn, Spott und Schadenfreude zu machen, das hatte für sie als stolze Mutter noch mal eine ganz andere Dimension. Ihr war zwar rational völlig klar, dass das, was ich als Lina Legrand tat, für das Gelingen meines – auch in ihren Augen – verrückten und doch schönen Plans absolut nötig und richtig war, und im Vergleich zu vielen anderen gefallenen Stars war ich ja auch immerhin in der luxuriösen Position, meinen Niedergang selbst zu initiieren. Aber trotzdem glaube ich, dass es für Renate darüber hinaus ziemlich schlimm war zu merken, wie durch mein medial aufbereitetes Verhalten auch ihr eigener Status im Landkreis zu sinken begann.
Im Salon wurde zum Beispiel schon seit Anfang November nur noch dann ordentlich geklatscht und getratscht, wenn Renate gerade nicht in Hörweite war – schließlich trauten sich die Stammkundinnen nicht, in ihrem Beisein ordentlich über »et Lina-Luder« oder gar ihre »ja auch immer schon schamlos gewesene Mutter« zu lästern. Dadurch dass Renate aber ihr ukrainisches Lehrmädchen Ylenia hatte, mit dem sie sich blendend verstand und in dessen Beisein die Damen des Landkreises immer so richtig aufdrehten, weil sie Ylenias sprachliche Fähigkeiten aufgrund ihres Akzents unterschätzten, bekam meine Mutter jedoch trotzdem brühwarm mit, wie viel Potential zur niederträchtigen Bosheit anscheinend nach Jahren des heimlichen Neids in so manch klimakteriell getuntem Eifelweib steckte.
Die passenden Typen dazu waren allerdings keinen Deut besser. Günther hatte sich zwar schon seit den Playboy -Fotos ein dickeres Fell zugelegt, was blöde Sprüche über seine Tochter anging, aber nun ging es seitens dieser Arschlöcher auch gegen Renate. Denn ausgerechnet die Typen, die es immer gewurmt hatte, dass sie bei meiner Mutter nicht landen konnten, obwohl mein Vater doch so viel unterwegs war, versuchten ihm Zweifel bezüglich seiner Vaterschaft einzureden, auf so einem ganz schäbigen »Vielleicht-liegt-Fremdgehen-ja-in-der-Familie«-Niveau.
Und das alles waren nur die Nachwehen zu den ersten Detektivfotos in der BamS Anfang November gewesen – da kann man sich gut vorstellen, was tratschtechnisch erst nach dem Schwangerschaftstest-Eklat in der Woche vor dem ersten Advent in der Eifel abging. Somit taten wir gut daran, uns in unserem Frau-Stahlke-Häuschen einzuschließen und ein letztes Mal dort unser Adventsritual zu zelebrieren, das wir diesmal sogar auf sechs Tage ausdehnten. Und trotz einer gewissen Grundsentimentalität, die sich ja gerne einschleicht, wenn man ganz bewusst von etwas Abschied nimmt, hatten wir unglaublich viel Spaß: Renate und ich feilten gemeinsam an den Entwürfen für meine Schwangerschafts-Kollektion, die ich im neuen Jahr rauszubringen gedachte, und führten so wunderbare Mutter-Tochter-Gespräche wie vorher schon lange nicht mehr; zu dritt guckten wir stundenlang Prospekte für Wohnmobile, Boote und Motorräder durch, während ich es genoss, die immer größer werdende Vorfreude meiner Eltern auf ihren neuen Lebensabschnitt sehen zu dürfen; und Günther und ich amüsierten uns königlich darüber, wie baff Renate war, als wir Samstagabend von seinem Hochsitz zurückkamen und ihr in der Garage die Beute präsentierten: Jens und Reza. Mein Vater und ich hatten die beiden nämlich heimlich im Kofferraum seines Jeeps unter einer Decke hergeschafft, weil wir einfach wie immer alles wollten: den heimeligen Großfamilienaspekt und das weitere reibungslose Gelingen unseres Plans.
»Wenn wir schon das letzte Mal hier im Haus unser Adventsritual feiern, dann will ich doch auch alle meine Schwiegersöhne um mich haben!«, erklärte Günther meiner Mutter.
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