Hochgefickt
»Wenn Ralf, wie besprochen, morgen früh hier aufschlägt, hat er sicherlich die Presse im Schlepp – und wie blöd wäre das dann, wenn die Nachbarn tatsächlich was zu erzählen hätten … Stell dir mal vor, gerade jetzt in dieser Situation zwei junge Männer über Nacht im Haus, tstststs. Und so hat keiner was gesehen, außer dass Vater und Tochter bei der Jagd waren.«
Ich freute mich in dem Moment nicht nur, dass er »alle seine Schwiegersöhne« offensichtlich so mochte, dass er nicht auf ihre Anwesenheit beim Familienritual verzichten wollte – Jens kannte er zwar erst seit zwei Monaten, hatte den Vater seines Enkelkindes aber auf Anhieb ins Herz geschlossen –, sondern auch darüber, dass ich mal wieder deutlich sehen konnte, woher ich meine halbkriminelle Umsichtig- und Aufmerksamkeit hatte.
Am nächsten Tag lief es genauso wie erwartet: Ralf tanzte morgens gegen halb elf mit Zeitungen und Brötchen an, ich öffnete ihm die Tür, und dabei wurden wir natürlich von den Reportern, die er im Schlepp hatte, abgelichtet – seiner Aussage nach hatten die ihn mangels Statement zum Status quo schon die gesamte letzte Woche nahezu nonstop terrorisiert. Allein schon deswegen gönnten wir ihnen die folgenden 24 Stunden auf ihrem Beobachtungsposten im kalten Auto – einmal vor Ort, mussten sie ja jetzt schließlich weiter dokumentieren: Wie lange bleibt er bei Lina im Haus? Wie sind die Gesichtsausdrücke der beiden, wenn er wieder geht? Oder gehen sie gar gemeinsam?
Im Haus war es muckelig warm, die Gardinen waren zugezogen, später sogar die Rollläden runtergelassen, und während sich draußen im Auto die Reporter mindestens einen ordentlichen Schnupfen holten, buken wir drinnen alle gemeinsam Plätzchen. Ralf und Jens übernahmen im Anschluss aufgrund meines schwangerschaftsbedingten Ausfalls den Part »Skier wachsen und Aufgesetzten trinken mit Günther«, Reza und ich kochten mit Renate das Abendessen (Rehrücken! Das von Günther extra »für mich« geschossene Wildschwein lag nach wie vor in der Kühltruhe, das brauchten wir nämlich noch am Stück), vorm Kamin wurden als Nachtisch die frischen Kekse gegessen und in schöner Tradition die Frau-Stahlke-Story erzählt. Jens kannte die bis dahin ja noch gar nicht, daher gaben sich meine Eltern ganz besonders viel Mühe. Danach spielten wir wie immer Trivial Pursuit (diesmal allerdings erstmals in drei Pärchen-Teams, was mich kurz an meine Burn-Out-Tendenzen im Jahr zuvor denken ließ, woraufhin mir ob meiner aktuellen Situation fast sentimentale Tränen des Glücks in die Augen stiegen!), erzählten uns lustige Geschichten und planten bestens gelaunt alles Mögliche für »Phase 3«, bis gegen Mitternacht alle drei Pärchen glücklich und (bis auf mich) auch recht betrunken in ihren Betten lagen.
Ralf hatte sich beim Verein krankgemeldet, und so konnten alle Pärchen nicht nur wunderbar ausschlafen, sondern auch gemeinsam ausgiebig frühstücken. Danach fuhr Ralf mich nach Köln, was natürlich fotografisch von den verfrorenen Reportern minutiös dokumentiert wurde, und Sabine koordinierte für die folgenden Tage und Wochen unsere jeweiligen Einzeltermine mit der Presse. Für jeden von uns beiden war es nämlich nun sehr wichtig, sich gut zu präsentieren. Imagetechnisch war ich in der Öffentlichkeit ja erst mal ziemlich unten durch, weil ich schließlich den Fußballhelden betrogen und belogen hatte, und auch wenn einige Schalker ihre Schadenfreude Ralf gegenüber voll auslebten: Außerhalb Gelsenkirchens, im Rest der Republik, zahlte sich mein Verhalten nicht gerade in Sympathiepunkten aus. Gut, um mediale Aufmerksamkeit zu bekommen, sind selbige zwar gar nicht so wichtig, das wusste ich ja noch aus der Psychisch -Zeit, als ich schon mal »die Böse« war.
Aber wenn man etwas verkaufen möchte (beispielsweise eine Platte oder ein Parfum zum Event-Mehrteiler oder eine frisch entworfene Schwangerschaftskollektion, von der noch niemand etwas weiß), dann sieht das schon wieder ganz anders aus, und daher galt es dringend, Schadensbegrenzung zu betreiben. Bis jetzt hatten die Schlagzeilen nämlich wie folgt ausgesehen – hier nur eine kleine Auswahl:
»EKLAT! LINA SCHWANGER! Aber: Ralf Szibuda wohl nicht der Vater!« ( Bild )
»TRAUMPAAR AM ENDE! EXKLUSIV: DER EKLAT!« ( Bunte )
»ZEUGUNGSUNFÄHIGKEIT! Das verschwiegene Männerleiden« ( Stern )
»Mit wem hat LINA rumgeLUDERt…?« ( BamS )
»SEITENSPRÜNGE – 12 TIPPS, UM NICHT ERWISCHT
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