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Hochsaison. Alpenkrimi

Titel: Hochsaison. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Ohr.
    »Sie sollten nur hinzeigen!«, schrie die Frau. »Das nächste Mal spüren Sie die heiße Eisenspitze!«
    Sie nahm seine Brieftasche heraus und öffnete sie. Es raschelte. Sie kramte nach seinem Personalausweis.
    »Und jetzt unterschreiben Sie. Mit Ihrer eigenen Unterschrift bitte. Und ich warne Sie: keine Tricks. Los!«
    Er ließ den Kugelschreiber fallen, um einen neuen suchen zu müssen. Er bekam einen Hustenanfall, um weitere Zeit zu gewinnen. Er überlegte fieberhaft. Wenn er hier unterschrieb, war er für die Frau nicht mehr wichtig. Panische Angst stieg in ihm auf. Sein Wohnzimmer war eigentlich eine große Requisitenkammer
für kriminelle Aktivitäten. Er hatte im Lauf der letzten Jahre so viele Dinge ausprobiert, gebastelt, zusammengemischt, konstruiert – lauter gesetzeswidrige Utensilien, die für ihre krummen Zwecke nie zum Einsatz gekommen waren. Vage bildete sich ein Gedanke. Er hatte nicht mehr viel Zeit, er musste es versuchen.
    »Also, was ist? Ich warte«, sagte die Frau.
    Er nahm ein weiteres Blatt vom Stapel, legte es neben den Brief und schrieb:
Gleich kommt ein Klient von mir.
    Der Schmerz kam unerwartet und an einer ganz anderen Stelle, als er angenommen hatte. Er hatte das Gefühl, als wären ihm die Lippen aus dem Gesicht gerissen worden.
    »Was soll das heißen? Ein Klient?«, schrie die Frau. »Reden Sie!«
    Er drehte sich um, sie hielt das schwarze Klebeband in der Hand und pfefferte es wütend auf den Boden. Er war einen kleinen Schritt weitergekommen.
    »Ich habe Ihnen einen lukrativen Deal anzubieten«, sagte er mit zitternder Stimme. »Wie Sie vielleicht wissen, habe ich einen hochrangigen amerikanischen Armeeangehörigen entführt.«
    »Nein, weiß ich nicht. Und was soll mit dem sein?«, sagte Shan unwirsch, doch er hatte das Gefühl, dass ein kleines bisschen Interesse in ihrer Stimme lag.
    »Ich habe einen Zettel mit einer wichtigen Information in seiner Jackentasche gefunden.«
    »Wo ist der Zettel?«
    »Ich habe ihn sichergestellt.«
    »Wo?«
    »Er klebt dort drüben unter dem Tisch.«
    »Na dann.«
    Shan machte Anstalten, frisches Klebeband von der Rolle abzureißen und es ihm wieder über den Mund zu kleben. Ein kleiner Rückschlag.
    »Warten Sie. Es ist natürlich nur die eine Hälfte der Information, so dumm bin ich nicht. Öffnen Sie den Briefumschlag, der unter dem Tisch hängt. Sehen Sie nach, dann können wir reden.«
    Shan hatte angebissen, das konnte er sehen. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, ging sie in die Hocke, warf einen schnellen
     Blick auf die Tischunterseite, griff hin und nahm den angeklebten Briefumschlag ab.
    »Es gibt gar keinen Klienten, nicht wahr?«, sagte sie.
    »Nein, ich gebe es zu. Das war ein Trick. Ich wollte Sie für den Inhalt dieses Briefes interessieren. Vielleicht kommen wir ins Geschäft.«
    Sie blieb in der Hocke. Je mehr sie redete, je mehr Zeit verstrich, desto besser für ihn. Er hatte sich diesen Effekt einmal in müßigen Stunden überlegt. Steronyin war ein geruchloses Gas, das sich bei Wärme schnell ausbreitete und das leichte halluzinogene Wirkungen hervorrief. Es war kein schwerer Hammer, dieses Gas, nichts in der Art von Sterkox, aber der Gegner war abgelenkt, er war für ein paar Sekunden betäubt. Man musste ihn vorher nur dazu bringen, irgendein Behältnis zu öffnen, das dieses Gas ausströmen ließ …
     
    Shan hielt den Brief mit spitzen Fingern in der Hand und schüttelte ihn. Sie setzte sich auf den Boden und hielt ihn gegen das Licht der Deckenlampe.
    »Halten Sie mich für so blöd?«, sagte die Frau mit zynischem Amüsement. »So ein uralter Trick. Was haben Sie reingetan in den Brief? Was Biologisches? Milzbrandsporen? Ein Betäubungsmittel? Ein Gas? Ich ahne es: Sterkox?«
    Die Frau, die dort am Boden saß, verdrehte die Augen, das war eines der ersten Symptome von Steronyin. Sie wollte aufspringen, es gelang ihr nicht.
     
    Der Marder hatte lange an dem Mechanismus gebastelt. Das Gas war nicht im Briefumschlag. Das Gas strömte von der Unterseite des Tisches aus. Das Klebeband hielt ein Häkchen. Wenn das Klebeband weggerissen wurde, schlug das Eisenhäkchen in eine Gummiblase, in der sich das Gas befand. Die Gasflasche war in den Tisch eingelassen. Das Gas war nicht stark, es betäubte nur kurz, es lenkte nur kurz ab, man verspürte einen starken Hustenreiz. Shan ließ den Schürhaken sinken, er fiel scheppernd zu Boden. Sie stand schwankend auf und griff sich an den Hals. Jetzt musste er handeln. Der

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