Hochsaison. Alpenkrimi
durch Laserbeschuss nicht. Die kommen nämlich äußerst selten vor.«
Im Halbdunkel der Intensivstation lag Åge Sørensen. In der Beatmungsmaschine ist mehr Leben als in ihm, dachte Jennerwein. Åges Mutter kam auf ihn zu.
»Sie sind also der ermittelnde Kommissar«, sagte sie.
»Ja, der bin ich.«
»Sie glauben immer noch an einen Unfall?«
Jennerwein entschloss sich dazu, ihr die Wahrheit zu sagen.
»Nein, ich glaube nicht mehr an einen Unfall.«
Jennerwein trat näher an das Krankenbett. Norðri, einer der
Zwerge, die den Himmel stützten, bat Åge, von seinem Apfelschimmel abzusteigen.
»Wie weit ist es noch?«, fragte Åge.
»Es ist nicht mehr weit«, sagte Norðri. »Diesen einen Berg noch, dann findest du Thor mit dem Hammer.«
Draußen auf dem Gang fragte Jennerwein:
»Sie arbeiten im Klinikum auch mit Laser-Skalpellen?«
»Das ist heutzutage Standard.«
»Darf ich so ein Skalpell einmal sehen?«
»Ja natürlich. Aber – was soll das Ganze mit dem Laser?«
Jennerwein entschied sich dazu, dem Mediziner von seinem Verdacht zu erzählen. Als sie im Lagerraum für technische Geräte angekommen waren, deutete der Chefarzt auf einen Apparat, der genauso gut ein Hightech-Staubsauger oder ein auf postmodern designter Eierkocher hätte sein können.
»Das ist das Equipment für ein Laserskalpell«, sagte er. »Und – man hat von den Fenstern der psychiatrischen Abteilung durchaus freien Blick zur Skischanze. Aber bevor Sie sich Hoffnungen machen, Kommissar, bevor Sie uns hier den ganzen Laden auseinandernehmen: Jemand, der ein medizinisches Laserskalpell so modifizieren kann, dass der Strahl über einen Kilometer weit reicht, der kann sich auch, wesentlich einfacher, gleich ein richtiges Lasergewehr bauen.«
»Danke«, sagte Jennerwein, »ich hatte nicht vor –«
»Schon gut.«
Der Kommissar verabschiedete sich und ließ den Chefarzt im Lagerraum zurück. Es kam ihm vor, als würde der Glatzköpfige leise
Knockin’ on Heaven’s Door
von Bob Dylan singen. Aber er konnte sich auch täuschen.
42
Die Polizeipsychologin Dr. Maria Schmalfuß war das genaue Gegenteil von Hauptkommissar Hubertus Jennerwein, zumindest was dessen unauffällige Erscheinung betraf. Maria war eine ins Auge springende Bohnenstange, ein spinnenbeiniger Hingucker inmitten all dieser barock-fleischigen Bajuwaren. Marias langer Schwanenhals tat sich mit ruckartigen Bewegungen in der Bäckerei Krusti um, sie hielt Ausschau nach kriminalistisch und psychologisch verwertbaren Besonderheiten. Sie wollte etwas aufschnappen aus dem prall-örtlichen Leben: Meinungen, Spekulationen, Geratsche. Im Moment waren ihre Augen auf einen Stehtisch gerichtet, dort prustete man gerade drauflos über einen Witz, dessen Brillanz Maria nicht beurteilen konnte. Ein paar der Brüller kannte sie vom Sehen, andere waren ihr gänzlich fremd. Zwei der Einheimischen hatten an Elchgeweihe erinnernde Zwirbelbärte, Männer wie Frauen waren mit grobgeäderten Pranken bestückt, mit der sie die Luft beim Reden zerteilten, als schlügen sie etwas durch und durch. In Bayern wurde seit Urzeiten schon so argumentiert, hart und viehhändlerisch endgültig. Bei dem einen oder anderen fehlte auch das Ausgeh-Hütchen nicht,
as Hiatal
, wie das hier hieß, manche der Hüte waren mit Vereinsabzeichen vollkommen zugewachsen, über und über, vermutlich auch im Inneren des Hutes, man konnte nicht ausschließen, dass die Ehrenplaketten und Jubiläumsanstecker bei den Trägern genickabwärts auf der bloßen Haut weiterwucherten, um sich unter dem Hemd einem landläufigen und veritablen Piercing anzunähern.
Natürlich hatte sie auch einen Plan. Dr. Maria Schmalfuß ging selten ohne Plan aus dem Haus. Etwas dem Zufall zu überlassen hätte ihrem Naturell nicht entsprochen. Ihr momentanes Vorhaben hätte ein wohlbestallter Beamter der bayrischen Polizei vielleicht gar nicht legal durchführen können (zumindest nicht mit gutem Gewissen), aber sie, als lediglich
angestellte
Polizeipsychologin, fühlte sich etwas lockerer an die Dienstvorschriften gebunden, sie musste nicht gar so streng hinsehen wie Schwattke oder Stengele oder gar Jennerwein. Maria trug eine bequeme Trainingsjacke und Outdoor-Schuhe, hatte die Sonnenbrille auf die Stirn geschoben, auch der Rucksack deutete auf Freizeit, Spaß und Vergnügen hin. Sie sah haargenau aus wie eine der vielen Touristinnen und Bergstiefler, die bei diesem wanderigen Wetter in die umliegenden Matten und Auen strömten.
Weitere Kostenlose Bücher