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Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)

Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Frech
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Versteck eines entführten Jungen ausfindig gemacht und sich zweieinhalb Tage selbst in die enge Holzkiste in einer Waldhütte gezwängt hatte, um schließlich den Täter, der nach dem Opfer sehen wollte, festzunehmen.
    Täschler zitierte häufig einen Satz, den Kepplinger nie mehr vergessen würde:
    Man sieht nur, was man weiß.
    Anfangs hatte Moritz nicht verstanden, was er damit meinte. Doch in einer Vorlesung lieferte der Dozent ein eindrucksvolles Beispiel. Täschler projizierte das Bild eines Ford Capri an die Wand. Ein Sportcoupé, das bis 1986 in Deutschland hergestellt worden war. Er erkundigte sich, wer so ein Fahrzeug schon einmal gesehen habe. Es gab nur vereinzelte Wortmeldungen. Der Dozent forderte sie auf, über das Wochenende auf genau diesen Wagentyp zu achten. Tatsächlich hatte Kepplinger, ohne dass er dem Beispiel große Bedeutung zumaß, einige dieser Fahrzeuge gesehen, die ihm zuvor nie aufgefallen waren. Von dem Tag an war er aufmerksamer geworden. Achtete auf die kleinsten Dinge. Das scheinbar Unsichtbare, von dem er nur eine Ahnung hatte.
    Man sieht nur, was man weiß.
    Als Kepplinger jetzt in den Innenhof der Dienststelle einfuhr, wünschte er sich den Dozenten an seiner Seite und hoffte, nichts zu übersehen, von dem er möglicherweise nichts wusste.
    Die Sekretärin erwartete ihn bereits. Kepplinger warf die Mappe mit den Fahrzeugpapieren auf eine Ablage in ihrem Büro.
    »Ich bin geblitzt worden.«
    Franziska schmunzelte.
    »Wo?«
    »An der Kreuzung, an der es rechts zum Bahnhof geht. Direkt nach der Brücke.«
    Sie griff augenzwinkernd nach den Papieren.
    »Ich kümmere mich darum!«
    »Danke. Wo sitzt er?«
    »Drüben im Besucherzimmer.« Sie deutete mit einer Handbewegung auf eine geschlossene Tür gegenüber ihrem Büro.
    »Hat er etwas gesagt?«
    »Nur, dass er mit dem zuständigen Beamten sprechen möchte. Der Chef war schon weg.«
    »Gut, dann geh ich mal rüber.« Kepplinger lief aus dem Büro. Auf dem Flur drehte er sich noch einmal um.
    »Könntest du bitte herausfinden, in welche Schule Manuela Jessen geht und dort anrufen, ob sie da ist?«
    »Klar, kein Problem. Wenn du sonst etwas brauchst, rufst du mich.«
    »In Ordnung.«
    »Noch was, eine Lea Thomann hat angerufen und sich nach den Ermittlungen erkundigt. Kennst du sie?«
    »Nein, wer soll das sein?«
    »Streifenbeamtin beim Revier. Hat im Nachtdienst wohl etwas von dem Fall mitbekommen.«
    Kepplinger erinnerte sich an den Anruf der Mutter beim Polizeirevier und überlegte, weshalb sich die Kollegin für den Fall interessierte.
    »Da kümmere ich mich später drum, hast du ihre Nummer?«
    Franziska übergab ihm eine Gesprächsnotiz, auf der eine Handynummer vermerkt war.
    »Danke.«
    Er fühlte sich jetzt sicherer als auf der Fahrt und drückte die Türklinke des Besucherzimmers nach unten.
    Gerd Jessen saß mit gesenktem Kopf auf einem Stuhl, die Hände wie zum Gebet auf dem Schoß gefaltet. Das Besucherzimmer war im Gegensatz zu den modern eingerichteten Büros schlicht und einfach ausgestattet. In der Mitte stand ein Eichentisch. Links und rechts davon einige Stühle.
    Kepplinger setzte sich Gerd Jessen gegenüber an den Tisch und tastete mit einer Handbewegung nach dem Notizbuch in der Innentasche seiner Jacke. Er beließ es dort.
    Jessen roch nach Alkohol und Zigaretten. Kepplinger stand nochmals auf und öffnete das Fenster. Das kann ja heiter werden, dachte er.
    Nachdem er Platz genommen hatte, hob Gerd Jessen schwerfällig den Kopf.
    »Sind Sie der zuständige Kriminalbeamte?« Seine Stimme klang gebrochen.
    »Das ist richtig. Ich heiße Moritz Kepplinger. Sie sind Gerd Jessen?«
    »Wo ist sie?« Die Frage seines Gegenübers klang wütend und verzweifelt zugleich. Kepplinger rückte unweigerlich einige Zentimeter von Jessen ab und suchte nach einem passenden Einstieg in das Gespräch. Es gab keinen konkreten Tatverdacht gegenüber Jessen, also musste er auch keine Formalitäten beachten.
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte er in der Annahme, dem Vater eine Antwort schuldig zu sein. Anschließend bemühte er sich wieder um eine feste Stimme. »Herr Jessen, erzählen Sie mir, was Sie über das Verschwinden Ihrer Tochter wissen!«
    Jessen verharrte längere Zeit in gebeugter Haltung. Schließlich hob er den Kopf und sah ihn mit geröteten Augen an.
    »Wenn ich zu Hause geblieben wäre, wäre ihr nichts zugestoßen«, sagte er emphatisch. Die Worte klangen so, als ob er sie bereits viele Male zuvor immer wiederholt

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