Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)
hatte. Kepplinger hakte nach.
»Warum denken Sie das?«
Wieder dauerte es, bis sein Gegenüber antwortete.
»Weil ich dann meine Tochter am Freitag abgeholt hätte und sie das Wochenende mit mir zusammen gewesen wäre.« Abermals hob er den Kopf und blickte Kepplinger in die Augen. »Ich bin ein guter Vater. Das können Sie mir glauben.«
Diesen Spruch habe ich schon oft gehört, dachte Kepplinger. Und meistens dann, wenn das Gegenteil der Fall war. Er ging bewusst nicht darauf ein und überlegte, wie er das Gespräch wieder auf die dringenden Fragen lenken konnte, ohne den Mann in seinen Selbstvorwürfen zu bestätigen.
»Erzählen Sie mir doch bitte, wie das für gewöhnlich abläuft, wenn Sie Manuela über das Wochenende zu sich nach Hause nehmen.«
Die Frage schien ihn tatsächlich ein wenig abzulenken. Gerd Jessen lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
»Normalerweise hole ich sie gegen zwei bei ihrer Mutter ab. Ich klingle dreimal, und dann kommt Manu runter. Ich gehe meiner Frau, besser gesagt meiner Exfrau, aus dem Weg. Wissen Sie, beinahe jedes Gespräch beginnt mit gegenseitigen Unterstellungen und endet in einem Streit.«
Kepplinger ignorierte den unterschwelligen Vorwurf und dachte für einen Moment an das Gespräch mit dem Jungen in der Klinik.
Er hat sich überhaupt nicht dafür interessiert, wie es seiner Frau geht.
»Und weiter. Wann bringen Sie Ihre Tochter zurück?«
»Am Sonntagabend, gegen sechs. Manchmal schauen wir noch fern. Spätestens um acht. So ist es mit ihrer Mutter und ihrem tollen Anwalt vereinbart.«
»Haben Sie Manuela auch schon mal direkt von der Schule abgeholt?«
»Ja, ein paarmal. Aber nur, weil Manu es so wollte.«
»Wie kann ich das verstehen?«
»Na ja, wenn sie Streit mit ihrer Mutter hatte, hat sie mich am Vorabend angerufen und darauf bestanden, dass ich sie direkt von der Schule abhole. Susanne, also meine Exfrau, wollte das nicht und hat mir danach immer gedroht, dass sie mir das Sorgerecht entziehen würde.«
»Erzählen Sie mir bitte, was Sie an diesem Wochenende gemacht haben.«
»Ich war mit ein paar Kegelfreunden zusammen im Bregenzer Wald. Beim Wandern. Das können Sie mir glauben. Wir sind am Freitagnachmittag losgefahren und am späten Sonntagabend zurückgekommen. Anschließend bin ich zu meiner Freundin nach Donzdorf gefahren und habe die Nacht bei ihr verbracht.«
Während Gerd Jessen erzählte, notierte sich Kepplinger die wesentlichen Punkte. Er griff nach einem leeren Blatt, schob es Jessen hin und forderte ihn auf, sämtliche Namen seiner Kegelfreunde und den der Freundin aufzuschreiben. Währenddessen dachte er darüber nach, was Jessen ihm erzählt hatte.
Als dieser ihm das Blatt zurück über den Tisch schob, fuhr er fort. »Beschreiben Sie mir, was sich heute Morgen zugetragen hat.«
»Nun, ich war ja die Nacht über bei Claudia, meiner Freundin, und ich wollte mich vor der Arbeit in meiner Wohnung umziehen und nach dem Rechten sehen. Den Briefkasten leeren und so weiter. Als ich dann, warten Sie, das muss kurz vor sechs gewesen sein, auf den Parkplatz gefahren bin, ist plötzlich meine Exfrau angerannt. Sie hat die hintere Tür meines Wagens aufgerissen und die ganze Zeit den Namen meiner Tochter geschrien. Ich habe überhaupt nichts verstanden und versucht, sie zu beruhigen. Als ich ihr gesagt habe, dass ich nicht weiß, wo Manu ist, ist sie zusammengebrochen. Ich habe sofort den Notarzt gerufen. Und die haben sie dann mit in die Klinik genommen.«
»Waren Sie dort?«
»Ja. Ich habe erst in der Firma angerufen und mich krankgemeldet. Dann bin ich in die Klinik am Eichert gefahren. Die haben mir gesagt, dass Susanne ins Christophsbad gebracht wurde. Ich bin dorthin gefahren, aber die haben mich nicht zu ihr gelassen. Keiner konnte mir etwas sagen. Dann sind Ihre Kollegen von der Streife ins Krankenhaus gekommen. Denen habe ich auch alles erzählt. Aber die haben so getan, als ob ich für alles verantwortlich sei.«
»Und anschließend sind Sie hierhergekommen?«
»Ja, verdammt. Ich will doch wissen, wo meine Tochter ist.«
»Wo könnte sie denn sein?«
»Das – weiß – ich – nicht. Woher soll ich es denn wissen. Ich war das ganze Wochenende weg. Manuela habe ich zuletzt vor zwei Wochen gesehen. Vorigen Donnerstag haben wir noch miteinander telefoniert. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Irgendetwas ist passiert. Verstehen Sie das?«
»Wenn etwas passiert ist, werden wir das herausfinden. Aber verstehen Sie bitte, dass wir
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