Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)
der Alte.
Sie verabschiedeten sich und verließen das Gebäude. Ein Eiswagen fuhr hupend vorbei und hielt in einiger Entfernung am Straßenrand. Der Fahrer streckte seinen Arm aus dem Fenster und bimmelte mit einer großen Glocke. Sofort kamen einige Kinder aus den angrenzenden Häusern angerannt. Ein Eis wäre nicht schlecht, dachte Kepplinger und war im Begriff seine Kollegen einzuladen. Aber nach einem gehetzten Blick auf die Uhr verwarf er die Idee wieder. Zurück am Wagen schlug er plötzlich wütend auf das Autodach. »Verdammt!«
Die beiden anderen starrten ihn entgeistert an.
»Was ist?«
Moritz war bereits wieder einige Schritte in Richtung des Wohnblocks gegangen.
»Der Keller«, rief er zornig. »Die haben doch bestimmt einen Kellerraum in so einer Mietskaserne.«
Markus Ackermann und Nils Schubart lauschten gespannt den Ausführungen des Technikers, der sich reichlich Mühe gab, die Funktionsweise seines neuen Ortungssystems verständlich zu erklären.
»Ihr kennt doch bestimmt dieses Kinderspiel ›warm–kalt‹, oder? So in etwa könnt ihr euch die Peilung des Geräts innerhalb der Funkzelle vorstellen. In jedem Fall können wir eingeschaltete Handys beinahe punktgenau lokalisieren«, sagte der studierte Informatiker. »Ist noch nicht auf dem Markt, aber wir testen die Anlage für eine Schweizer Firma.«
Von der Funktionsweise des Systems verstanden die beiden Kriminalbeamten nur so viel, dass die Elektronik, nachdem das gesuchte Handy ausfindig gemacht worden war, das Gerät vom eigentlichen Netz trennte und selbst die Sende- und Empfangsfunktionen übernahm. Der Besitzer des Mobiltelefons bekam von diesem Vorgang nichts mit. Der Standort des Telefons konnte im Idealfall auf fünf Meter genau bestimmt werden.
»Das Schaffen bislang nur militärische Peilsender«, schwärmte der Techniker.
»Außerdem ist es möglich, sämtliche Daten zu kopieren, die sich auf der Speicherkarte befinden. Ihr könnt euch sogar die Kurznachrichten ansehen oder selbst welche über die Nummer versenden, falls ihr euch davon etwas versprecht.«
Rechtlich bedurfte es einer Anordnung des Dienststellenleiters, die Brandstätter bereits organisiert hatte. Jetzt warteten die Ermittler auf die Koordinaten des Netzbetreibers, um zu erfahren, ob und in welcher Funkzelle das Mobiltelefon von Manuela Jessen eingeloggt war. In jeder Sekunde konnte das Fax eintreffen und die Aktion gestartet werden. Der Standort des Telefons würde von einer passenden Software auf einer Bildschirmkarte dargestellt werden. Nils Schubert hatte Kepplinger vor dessen Abfahrt ein hochwertiges Navigationssystem in den Dienstwagen montiert. Für alle Fälle hatte Markus Ackermann einen Laptop hochgefahren, in dem sämtliche Adressen bundesdeutscher Polizeidienststellen gespeichert waren und in wenigen Sekunden über die Aktion informiert werden konnten. Sie waren bereit.
In allen verfügbaren Streifenwagen der Landespolizei und der angrenzenden Bundesländer befanden sich mittlerweile Kopien mit der Suchfahndung nach Manuela Jessen. Die Fahndung nach dem Mädchen hatte höchste Priorität. Jeder wusste, dass die Zehnjährige seit Freitag vermisst wurde und was diese bedenkliche Zeitspanne bedeutete. Zwar kam es häufig vor, dass Kinder in diesem Alter von zu Hause wegliefen. Aber über neunzig Prozent tauchten am selben Tag wieder auf. Den wenigen anderen gelang es höchstens, eine Nacht lang der gewohnten Umgebung fernzubleiben. In der Regel konnten sie innerhalb von vierundzwanzig Stunden im näheren Umfeld der Familie oder bei Freunden ausfindig gemacht werden. In den seltenen anderen Fällen handelte es sich tatsächlich in aller Regel um schwere Straftaten wie Verschleppung, Entführung oder ein Gewaltverbrechen.
Manuelas Verschwinden lag 72 Stunden zurück. Es war höchste Eile geboten. Überall kontrollierten Streifenbeamte Kinderspielplätze, Freibäder und Schulhöfe. Einige suchten in Fußgängerzonen, Kaufhäusern und Spielzeugläden nach dem Kind. Kriminalpolizisten erkundigten sich in Krankenhäusern und allen in Frage kommenden Arztpraxen der Region. Kollegen der Bundespolizei durchkämmten systematisch alle Bahnhöfe und größeren Bushaltestellen im gesamten süddeutschen Raum.
Franziska hatte Kopien der Suchaktion an sämtliche Taxiunternehmen der Region geschickt, mit der Bitte, sie an alle Fahrer weiterzugeben. Zu seiner Verwunderung erhielt Brandstätter einen Anruf der Staatsanwaltschaft Ulm. Die Stimme des zuständigen
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